Aus den Feuilletons

Ein Intendant schlägt zurück

Oliver Reese am 1. Dezember im Roten Rathaus in Berlin.
Oliver Reese, derzeitiger Intendant des Frankfurter Schauspiels und zukünftiger des Berliner Ensembles © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Von Gregor Sander |
Eigentlich hatten sich die heftigen Theaterdiskussionen um vermeintlich fehl besetzte Intendanten doch ein wenig beruhigt. Doch nun gießt der zukünftige Intendant des Berliner Ensembles, Oliver Reese, in der "FAZ" Öl ins Feuer: mit einer Schauspielerschelte.
"Warum regen sich plötzlich alle über die Intendanten auf?",
fragt Oliver Reese, derzeitiger Intendant des Frankfurter Schauspiels und zukünftiger des Berliner Ensembles, ein wenig blauäugig in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG in seinen
"Anmerkungen zu einer eskalierenden Theaterdiskussion"
Nun könnte man meinen, die Eskalation ist eigentlich schon fast vorbei, da gießt Reese behutsam Öl ins Feuer. Als erstes bekommen die Schauspieler ihr Fett weg, die an den großen Häusern zu häufig folgende Forderungen stellen:
"Ich möchte eine Rollenbegrenzung, am besten auf nur zwei neue Rollen pro Saison, ich möchte einen garantierten Gastierurlaub, ich möchte aussteigen können, wenn die große Filmrolle kommt."
Namen nennt Reese keine. Dafür zählt er auf, was ihm in dieser Diskussion fehlt:
"Ich habe neben aller sicher auch berechtigten Kritik noch kein anders strukturiertes Konzept kennengelernt, das als echte Alternative zum im Team arbeitenden, am Ende aber allein verantwortlichen Intendanten als Modell tauglich erscheint."

Kulturpolitiker als Popstars

Und bevor das hier irgendjemand anders sieht, fordert Reese in der FAZ außerdem:
"Vor allem fehlt mir zweitens der Dialog mit der Kulturpolitik – denn außer Tim Renner, der es in zwei Jahren Dienstzeit zum bekanntesten Staatssekretär Deutschlands geschafft hat, bleibt der Kulturpolitiker meist das unbekannte Wesen."
Warum ein Kulturpolitiker ein Popstar sein muss, behält Reese allerdings für sich.
Müssen Musiker auch Popstars sein und als solche in Konzerten auftreten? Nein, haben Dieter Meier und Boris Blank von Yello gedacht und sind 38 Jahre gut damit gefahren. Am Mittwoch haben sie aber nun doch ein Live-Konzert in Berlin gegeben. Das muss nicht sein, meint Tobi Müller in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG:
"Die Show ist eine Enttäuschung. Wo ist der Witz, wo die kontrollierte Hitze? Statt mit Licht Räume zu bauen, wird man mit altem Musikfernsehen abgelenkt, das von neueren Bildern mit verfremdeten Fassaden und Häuserschluchten erweitert wird."
Jan Kedves von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG hat genau das zumindest an der Zugabe gefallen. Die Motorsporthymne "The race" donnerte da durchs Berliner Kraftwerk.
"Es war auch wirklich schön, auf der Leinwand noch einmal zu sehen, wie im dazugehörigen Video die Found-Footage-Fitzel rhythmisch
geloopt werden, sodass es in der Wüste von Nevada einem aufgepimpten Drag-Race-Boliden beim Start immer wieder den dicken Turbolader durch die Haube jagt."

Krug: "Vielleicht bin ich der erste Mensch, der überhaupt nicht stirbt"

Auf Achse, war jahrelang auch Manfred Krug, den Regina Mönch in der FAZ einen
"Gesamtdeutschen Star"
nennt und der bereits vergangene Woche 79-jährig in Berlin gestorben ist. Joachim Günter fasst in der NZZ ein langes Schauspielerleben in wenige Worte:
"Wer heute an Manfred Krug denkt, denkt an den oft schlechtgelaunten 'Tatort'-Kommissar Stoever, der als 'swinging cop' (bisweilen deplacierte) Gesangseinlagen bot, er denkt an die Fernsehserie 'Liebling Kreuzberg', in der Krug einen originellen, Wackelpudding löffelnden Rechtsanwalt spielt. Ist der Bewunderer Cineast, wird er überdies in höchsten Tönen Krugs Verkörperung des Zimmermanns und Brigadiers Hannes Balla rühmen, dieser Kraftnatur in Frank Beyers Baustellen-Western 'Spur der Steine'.
Am schönsten trauert Willi Winkler in der SZ:
"In der ansonsten belanglosen 'Revue um Mitternacht' durfte Manfred Krug immerhin das Saxofon herausholen und alles wegblasen, was sonst an Bitterfelder Weg und Plaste und Elaste angeboten wurde. Krug liebelte, tanzte, brummbärte, sang und musizierte sich durch so viel staatliche Unterhaltung, dass er in dem Film 'Spur der Steine' einer Ingenieurin die ultimative Liebeserklärung machen kann: 'Mit Ihnen würde ich mir sogar einen Defa-Film anschauen.'"
Das wäre eigentlich schon ein sehr schönes Schlusswort, aber Willi Winkler hat noch ein schöneres in Krugs letztem Interview gefunden:
"Vielleicht bin ich der erste Mensch, der überhaupt nicht stirbt.",
sagte Manne da. Man hätte es ihm gegönnt!
Mehr zum Thema