"Ein Mann wie eine ewige Sommerlochfüllung"
Der 64-jährige CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach tritt zur nächsten Bundestagswahl nicht mehr an. Die "TAZ" findet für den "innenpolitischen Lautsprecher der CDU" wie gewohnt einfallsreiche Metaphern wie "der fleischgewordene Fernsehsessel".
An diesen späten warmen Tagen schlägt man die Feuilletons mit der gespannten Frage auf: Ob sie ihn heute wohl schaffen, den Sprung aus dem Sommerloch? Schließlich können Feuilleton (und in der Folge auch diese Kolumne) ja immer nur aus dem etwas machen, was da ist.
Nicht mehr da ist fortan Wolfgang Bosbach, den Lukas Wallraff in der TAZ zum "Ströbele der CDU" und zum "fleischgewordenen Fernsehsessel" erklärt. Außerdem sei er mit seiner Un- und Eigenart, auch noch den Sturz in einen Mallorquinischen Gullischacht medial breitzutreten, "ein Mann wie eine ewige Sommerlochfüllung!"
Dabei scheinen, so Wallraff nach diesem mehr oder weniger eleganten Schwung vom Gullischacht zum Sommerloch, "die politischen Ansichten, die er in all den Talkshows vortrug, egal zu sein. Wirklich etwas zu sagen hatte der innenpolitische Lautsprecher der CDU in seiner langen Karriere nie."
Dafür, und auch das ist ja etwas, hat er sich zu allem geäußert, naturgemäß auch zu jenem Thema, das den hellen Sommer zumindest medial dunkel verhüllt: die Burka.
FAZ: "Die Burka macht aus der Frau ein wandelndes Zelt"
Ein Kleidungsstück, das in unzähligen, inzwischen zunehmend auch wirklich lesenswerten, Feuilleton-Analysen Positionen enthüllt, die man nicht immer teilen muss, die einem aber zu denken geben sollten. Dann stammen sie meistens von Frauen. In dem Fall von Kerstin Holm in der FAZ:
"Das Leben ist keine Zumutung und die Flucht vor ihm in die Anonymität der Burka dürfen wir nicht tolerieren. Denn die Vollverschleierung bedroht das Fundament von Europas Kultur. Die Burka, die aus der Frau in der Öffentlichkeit ein wandelndes Zelt macht, bietet, wie der virtuelle Raum des Internets, auch eine Zuflucht vor den Zumutungen des realen Lebens. ...
Eine liberale Gesellschaft, die darauf angewiesen ist, dass ihre Mitglieder im offenen Austausch eine Balance miteinander finden, wird von solchen schwarzen Löchern von innen zerfressen."
Eine liberale Gesellschaft, die darauf angewiesen ist, dass ihre Mitglieder im offenen Austausch eine Balance miteinander finden, wird von solchen schwarzen Löchern von innen zerfressen."
In derselben FAZ beklagt Julia Bähr:
"Die Hauptpersonen bleiben in der Debatte unsichtbar... Eines fällt auf an der Debatte über ein mögliches Burka-Verbot: Es wird viel über Burka und Niqab (ein anderes vollverschleierndes Gewand) geredet – aber kaum über die Frauen darunter. Die Debatte zeigt, wie gut Burka und Niqab ihren einzigen Zweck erfüllen: Frauen unsichtbar zu machen. Es gibt einen guten Grund, der gegen ein Burka-Verbot spricht: Frauen dürfen hier anziehen, was sie wollen, ob das nun religiös geprägt ist oder nicht. Ein Verbot wäre genau so paternalistisch wie der Zwang zur Vollverschleierung. Man kann jedoch niemanden zur Freiheit zwingen, so traurig das ist.
Was man tun kann: eine Haltung haben, die über die schiere Feststellung hinausgeht, dass juristisch nichts zu machen ist. Eine Haltung ist kein Gesetz. Aber sie ist besser als ein Schulterzucken."
Eine Haltung hat auch Susan Vahabzadah. Sie hängt die diversen verschleiernden Kleidungsstücke wie Burka, Niqab und Abaya in der SÜDDEUTSCHEN in einen ziemlich vollen historischen Kleiderschrank frauenverachtender Textilproduktion: "Designer entwerfen Kopftücher und Korsetts", schreibt sie. "Beides ist Verrat an den Frauen."
Denn:
"Was als Konvention oder Mode gilt, global und seit Tausenden Jahren, wird unterschiedlich geregelt und kommt dann doch oft zu ähnlichen Ergebnissen. Sittsam verhüllt sollten Frauen sein, ja – aber meist auch sexy und sehr oft bewegungsunfähig, als sei das oberste Gebot aller Mode, jede Flucht zu unterbinden: von den gebundenen Füßen in China über europäische Korsette und Reifröcke bis zu Abaya, Niqab und Burka: Für Frauen wurden immer wieder Kleider erfunden, die ihre Bewegungsfreiheit einschränken. So eine Abaya verhüllt nicht nur, sie will auch dauernd sortiert und zusammengehalten werden, ihre Trägerin ist damit beschäftigt, angezogen zu bleiben. Das beraubt sie der Macht über ihren Körper.
Es ist schwierig gerechte Regelungen zu finden für die Verschleierung – weil es um ein Weltbild geht, nicht um Stoff. Wer aber glaubt, sie sei einfach nur Ausdruck religiöser Zugehörigkeit und habe nichts mit Unterdrückung zu tun, ist ganz und gar schief gewickelt."