Eine Dichterin im Stundenhotel
Die "Zeit" hat Nora Bossong als Testerin von Stundenhotels losgeschickt. Sie berichtet von sterilen Zimmern als auch von Häusern, wo man es erlesen treiben kann. Daneben ehren die Feuilletons den französischen Komiker Louis de Funès, der heute 100 geworden wäre.
"Weder Stöhnen noch Schreie, nicht mal Wasserplätschern" habe sie gehört, schreibt Nora Bossong in der ZEIT. "Es gibt nicht viel: ein Waschbecken, kein WC, ein Kissen, keine Decke, einen Mülleimer, ein leeres Schränkchen. Zwei Dinge aber gibt es zur Fülle: Spiegel und Zewa-Küchenkrepp."
Die ZEIT versucht das Sommerloch zu stopfen, indem sie die Schriftstellerin Bossong als Testerin von Stundenhotels losgeschickt hat. Sie berichtet aus Essen von "Einstellboxen mit Notrufknopf und Steuerticket-Automaten für die zu entrichtende Sexsteuer", aus Berlin von einem Mittelklasse-Stundenhotel und aus Wien vom Hotel Orient, der Luxusvariante:
"Hier vögelt man auserlesen, Frühstück gibt es rund um die Uhr, und wochentags zwischen zwölf und zwei, wenn die Beamten ihre Mittagspause haben, sei es fast unmöglich, ein Zimmer zu bekommen, erzählt ein Stammgast."
Auf einem Foto sieht man die Testerin Bossong sittlich angezogen (im Kleid) auf einem Bett sitzen. Hinter ihr liegt auf dem Bauch ein nackter Mann, dessen Gesicht man auch nicht im Spiegel erkennen kann. "Die Autorin und ein Begleiter", sagt die Bildunterschrift. Wenn der Fotograf nicht den Selbstauslöser seiner Kamera gedrückt hat, dürften drei Personen im Raum gewesen sein. Zitat Nora Bossong:
"Der Zimmerservice bringt einen Teller mit Trauben und einer dritten Zahnbürste."
Brieffilm statt Briefroman: "Die geliebten Schwestern"
"So geht die Liebe zu dritt", hat Dirk Peitz seinen WELT-Artikel über Dominik Grafs Kinofilm "Die geliebten Schwestern" betitelt, den auch die TAZ bespricht. Darin geht es um den jungen Friedrich Schiller, der zugleich zwei Frauen, die Schwestern Caroline und Charlotte, liebt, auch wenn er letztere heiratet. Dieser "Brieffilm", wie ihn Peitz "analog zum Briefroman" nennt, gefällt ihm offensichtlich sehr:
"Immerfort wird briefgeschrieben, briefgelesen, briefvorgelesen – fiebrig, verschwörerisch, innig."
Einen dieser Briefe zitiert der Filmkritiker. Schiller schrieb am 15. November 1789 an seine zukünftige Ehefrau Charlotte, allerdings, so Peitz, "mit der vollen Absicht, dass seine baldige Schwägerin Caroline die Zeilen ebenfalls lese":
"Caroline ist mir näher im Alter und darum auch gleicher in der Form unserer Gefühle und Gedanken. Sie hat mehr Empfindungen in mir zur Sprache gebracht als du meine Lotte – aber ich wünschte nicht um alles, dass dieses anders wäre, dass du anders wärest als du bist. Was Caroline vor dir voraus hat, musst du von mir empfangen; deine Seele muss sich in meiner Liebe entfalten, und mein Geschöpf musst du seyn, deine Blüthe muss in den Frühling meiner Liebe fallen."
Vergleich von Louis Funès und Nicolas Sarkozy
"Am 27. Januar 1983 ist 'Fufu', wie de Funès von Freunden und Fans liebvoll genannt wurde, 68-jährig in Nantes gestorben", schreibt Michael Wenk in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG noch sehr nüchtern. Aber dann:
"Dass Frankreich 25 Jahre später mit Nicolas Sarkozy einen Staatspräsidenten haben würde, dessen Physiognomie, Statur und rastlose Umtriebigkeit in frappierender Weise an Louis de Funès erinnern, hätte sich der Ausnahmekomödiant wohl selbst kaum träumen lassen."
"Das Männlein hat sie offenbar nicht alle", schreibt Dietmar Dath in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, nicht etwa über Sarkozy, sondern ebenfalls anlässlich des 100. Geburtstags von Louis de Funès über eine seiner Filmrollen:
"Es duckt sich und springt, es rüttelt sich, es schüttelt sich, es verneint das Universum und scheint aus nichts als entzündeten Nerven zu bestehen – Millionen von schreienden Fasern, die man oben zu einem dicken, bösen Knoten ineinandergedreht hat, dem sogenannten Kopf. Das Männlein drückt sein Kreuz durch, schnappt nach Luft, stößt ächzende Lautpäckchen aus, schreit 'Silence!' beziehungsweise 'Sileeeence!', dann hopst es übers Telefon, das es vom Tisch gerissen und auf den Boden gestellt hat, zwischen Himmel und Hölle."
Nur warum starren wir Louis de Funès dabei so fasziniert an? Die Erklärung von Dietmar Dath:
"Weil das, was er treibt, um mindestens eine halbe Million Menschen zu verblüffen, lustiger, aufschlussreicher und sogar wahrer ist als alles, was uns ein Blick auf unseresgleichen oder in den Spiegel verraten könnte."