Eine Unterschrift wie Stacheldraht
Die "Süddeutsche" berichtet von einer Ausstellung über den russischen Aktionskünstler Pjotr Pawlenski. Was man da ausstellen kann? Unter anderem seine Prozessakte, in der die Unterschrift des Ermittlers sehr merkwürdig aussieht.
Ein Bild von einem Postfahrrad. "Macht! Endlich! Alles! Teurer!", ruft Uli Hahnemann uns dazu aus der TAZ entgegen, hinter jedem Wort ein Ausrufezeichen.
"Angeblich soll das Briefporto deutlich steigen. Aber warum nur das Porto? Auch Mieten, Äpfeln und frischer Luft stünden Preiserhöhungen gut zu Gesicht".
Doch die Polemik hat ein ernstes Ende:
"Am Anfang sind es nur Briefmarken, ein scheinbar unbedeutender Retro-Gegenstand, dessen Existenz, geschweige denn Benutzung, heute kaum noch einem Menschen unter 35 Jahren geläufig ist. Doch uns Älteren ist das Porto ein Symbol für die Freiheit und das Überwinden großer Entfernungen, auch zwischen den Menschen, gerade zwischen den Menschen. Wer dieses Symbol missbraucht oder über dessen Missbrauch leichtfertig spekuliert, spielt mit dem Feuer."
Und weiter:
"Allerding hat die ganze Sache einen Haken: Die Post weiß offiziell nichts von der angeblichen Erhöhung. Niemand weiß davon, außer der 'Bild', von der wiederum alle anderen abschreiben."
Bild mal wieder.
Harte Kost
Ein Mann mit zugenähtem Mund. Mit diesem Bild macht das Feuilleton der SÜDDEUTSCHEN auf. Die Botschaft ist ebenso eindeutig wie eindringlich. Unter dem Titel "Bis es wehtut" porträtiert Tim Neshitov diesen jungen Mann, den russischen Aktionskünstler Pjotr Pawlenski, der demnächst in Hamburg ausstellen wird. Doch was kann ein Aktionskünstler ausstellen? - Bilder …
Als "Geschenk" bezeichnet Pawlenski da eine Akte aus einem Prozess gegen ihn, erläutert Tim Neshitov:
"Die Unterschrift des Ermittlers sieht darauf wie eine Rolle Stacheldraht aus, man kann das Dokument bei der Ausstellung gut neben Fotos einer anderen Aktion Pawlenskis zeigen, bei der er sich splitternackt in eine Rolle Stacheldraht einwickelte und vor das Stadtparlament in Sankt Petersburg legte."
Auf einer anderen Seite derselben SÜDDEUTSCHEN genügt ein Porträt von Don Draper aus der Serie Mad Men, und wir sind sofort im Bilde, dass es hier um besondere Kniffe der Werbung gehen muss. Dirk von Gehlen geht einer Technik nach, die es ermöglicht, Werbung im Netz zu unterdrücken.
"Adblocker gefährden das Geschäftsmodell werbefinanzierter Medien. Profitieren könnte davon ausgerechnet die Reklame selbst".
Er fragt, nicht ohne Hoffnung:
"Schafft es die Werbe- und Medienindustrie, einen tatsächlich neuen Blick auf ihr Produkt zu werfen und Reklame zu entwickeln, die technisch und inhaltlich anders funktioniert, vielleicht sogar attraktiver ist als diejenige, die heute geblockt wird?"
Eine provozierende Kinderzeichnung
Ein anderes Bild, eines im Netz, kommentiert Patrick Bahners in der FAZ. Genauer: Er kommentiert die Kommentare, die eine von der Bundespolizei in Passau auf Facebook gepostete Kinderzeichnung provoziert hat.
"Ein Polizist verbreitete ein Foto über Twitter. Daraufhin entbrannte im Internet eine Debatte. Hatte wirklich ein Kind das Bild gemalt? Die perfide Phantasie der 'Asylskeptiker', die sich im Netz über das Bild hermachten, erreichte ihr äußerstes Raffinement … nicht in der Vermutung, erwachsene Flüchtlinge hätten den Kinderstil imitiert und für ihren Versuch der Beamtenbestechung durch kitschige Zuwendung ein Kind vorgeschickt. Geäußert wurde die Vermutung, es müsse sich um eine 'propagandistische Inszenierung der Polizei' handeln.
Dieser Verdacht ist typisch für das öffentliche Gespräch über die Lage, die durch die massenhafte Ankunft von Flüchtlingen in Deutschland entstanden ist. Der Bundespräsident hat am Sonntag in seiner Mainzer Rede auf den Begriff gebracht, wie der Verdacht von den Feinden des Asylrechts wie von den falschen, fanatischen Asylfreunden als Waffe verwendet wird: Menschen, die sich engagieren, werden 'denunziert'. Ihnen wird das Schlimmste zugetraut und auf den Kopf zugesagt."
Vom "Affekt gegen den Affekt" spricht Bahners und zitiert ein großen verstorbenen Kollegen:
"'Bilder', schloss Henning Ritter aus seinen Beobachtungen zur Geschichte des organisierten Mitleids, 'scheinen als Auslöser für einfühlendes Verhalten wirkungsvoller zu sein als die unmittelbare Wahrnehmung'."
Das sollten wir immer im Auge haben, wenn wir die Feuilletons aufschlagen.