Aus den Feuilletons

Elon Musk verändert den Sternenhimmel

05:51 Minuten
Der Start einer Rakete, die Elon Musks Starlink-Satelliten ins All befördert.
Am 22. April schickte Elon Musk zum siebten Mal 60 Starlink-Satelliten in den Orbit. Sie sollen dafür sorgen, dass man von überall auf der Erde ins Internet kommt. © Joe Marino / imago images / UPI Photo
Von Tobias Wenzel |
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Der Autor Clemens J. Setz ist nicht gut auf Elon Musk zu sprechen. Der Tesla-Chef zerstöre unseren Himmel, schimpft Setz in der „FAS“. Denn Musk hat schon wieder blinkende Starlink-Satelliten ins All gebracht: 42.000 könnten es am Ende sein.
Orgien und Wissenschaftstheorie – die Feuilletons dieser Woche waren wirklich ausgewogen. "Öffnungsdiskussionsorgien", Angela Merkels aus einer CDU-Präsidiumssitzung nach außen getragenes Wort, erregte die Gemüter. Arno Frank verliebte sich dagegen geradezu in dieses Kompositum:
"Bewundern wir es also als funkelndes Meisterwerk, wie es nur im kopplungsfreudigen Deutschen möglich ist", schrieb Frank in seiner Glosse für die Online-Ausgabe des SPIEGEL. "Freundlicher und knapper jedenfalls lässt sich 'Ihr dürft ja gern rumplappern, aber übertreibt’s mal nicht, also haltet einstweilen einfach mal die Füße still und bleibt angeschnallt sitzen, ihr Spaßvögel, denn diese Scheiße geht noch eine ganze Weile so weiter!' einfach nicht sagen."
Das sah schon stark nach Kuschelorgie aus, das skurrile Foto, das DER FREITAG passend zur nun beschlossenen Maskenpflicht veröffentlichte: Zwei Menschen umarmen sich unter einem einzigen seltsamen Kleidungsstück, das sie bis zu ihren Köpfen verhüllt. Bildunterschrift: "Körperkontakt ist wichtig – sogar bei Vollvermummung."

Auf dem Weg in die Gesundheitsdiktatur?

"Der Hygienismus kann in eine Gesundheitsdiktatur umschlagen", warnte der Philosoph Markus Gabriel in der WELT. Dieser Satz wird Josef Joffe ärgern. Denn drei Tage zuvor hatte er in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG den Philosophen Peter Sloterdijk mit den Worten kritisiert:
"Weil Neologismen Spass machen, prophezeit er die 'Unterwerfung unter die medico-kollektivistische Diktatur'." Solche Spekulationen würden ins Leere laufen, urteilte Joffe. "Die Corona-Krise ist auch eine Krise der Intellektuellen", schrieb er. "Ihnen fällt nicht viel Kluges ein."
Joffe meinte auch Giorgio Agamben. Dabei hatte Joffe da noch nicht mal den neuesten Text des italienischen Philosophen gekannt. Der schrieb dann in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG: "Die Kirche unter einem Papst, der sich Franziskus nennt, hat vergessen, dass Franziskus die Leprakranken umarmte." Will Agamben wirklich, dachte man als Leser, dass der 83 Jahre alte Papst Covid-19-Patienten umarmt?
Dass Donald Trump die Anregung gab, Menschen Desinfektionsmittel zu injizieren, wunderte bei diesem Präsidenten kaum noch. Aber von Intellektuellen erwartet man ja schon noch eine gewisse Gedankenschärfe.

Achille Mbembe wehrt sich gegen Antisemitismusvorwürfe

Die ließ aber auch Achille Mbembe vermissen, der kamerunische Postkolonialismus-Theoretiker. "Ist der Philosoph Achille Mbembe ein Holocaustrelativierer und Israelhasser?", fragte Alan Posener in der WELT, bejahte und versuchte, das anhand von Zitaten Mbembes, der bis zur Absage der Ruhrtriennale als Hauptredner vorgesehen war, zu belegen.
Unabhängig von der Frage, ob die Vorwürfe berechtigt sind oder nicht, verwunderte doch die Art und Weise, in der sich Mbembe verteidigte. Anstatt nur sachlich auf die Vorwürfe einzugehen, warf er in einer E-Mail an Deutschlandfunk Kultur seinen Kritikern vor, sie sähen in ihm wohl "kein menschliches Wesen", und suggerierte in der ZEIT, seine Kritiker wollten nur die Gedankenfreiheit infrage stellen. Es klang nicht wie das redliche Argumentieren eines Wissenschaftlers, sondern eher wie das Ablenkungsmanöver eines Aktivisten.

Unwissenschaftlicher Umgang mit Fragen zur Corona-App

In der WELT beschrieb Andreas Rosenfelder, wie eine Wissenschaftlerin vergaß, was Wissenschaft ausmacht: Eine Virologin vom Helmholtz-Zentrum antwortete, als der "Spiegel" ihr eine Frage zur aus Datenschutzgründen umstrittenen Corona-App stellte, sie finde es "unglaublich, dass diese Debatte überhaupt geführt" werde.
Rosenfelder zeigte sich entsetzt, erinnerte an den Wissenschaftstheoretiker Karl Popper, an dessen Betonung der Falsifizierbarkeit von Wissenschaft und zitierte ihn so: "Wann immer wir nämlich glauben, die Lösung eines Problems gefunden zu haben, sollten wir unsere Lösung nicht verteidigen, sondern mit allen Mitteln versuchen, sie selbst umzustoßen."
Genau das tut der Virologe Christian Drosten unaufhörlich, zur Freude von Andreas Rosenfelder. Denn: "Ohne den Verweis auf den Bereich des Nichtwissens ist aufgeklärte Wissenschaft undenkbar".

42.000 Satelliten könnten es am Ende sein

Clemens J. Setz ist sich sicher: Elon Musk zerstört unseren Himmel. In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG beschimpft er den Unternehmer. Denn der hat Starlink-Satelliten ins All gebracht. Und die wiederum blitzen nun auf und stören den österreichischen Schriftsteller Setz. 42.000 Satelliten könnten es am Ende sein.
Setz prophezeit für den Blick in den zukünftigen Himmel "die Ästhetik eines hektischen und wimmelig programmierten 80er-Jahre-Computerspiels" und fragt:
"Was für Philosophien kannst du da entwickeln? Immanuel Kant beginnt sein Nachwort zur Kritik der praktischen Vernunft mit folgenden Worten: 'Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir. Ich sehe sie beide vor mir und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewusstsein meiner Existenz.'"
Kommentar von Setz: "Ja, versuch das mal unter 42.000 Starlinks." Unter einer regelrechten Satellitenorgie.
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