Europa wird auf jeden Fall Weltmeister
"Die Welt" schwärmt vom Fußball als Sprachkatalysator und sorgt sich um Kulturinstitutionen nach dem drohenden Brexit, während die "Süddeutsche Zeitung" am Beispiel Donald Trump eine historisch einzigartige Abkehr von transatlantischen Werten beklagt.
"Alles, was die Sprache kann, findet sich im gesprochenen Fußball wieder." Daran erinnert uns die Tageszeitung DIE WELT in diesen harten Tagen. "Fußball ist so ganzheitlich geworden, dass er kulturell, geschäftlich, sportlich und gesellschaftlich alles durchdringt. Kein Sprachkatalysator wirkt so wunderbar wie er", schwärmt Michael Pilz – bevor Frankreich gegen Belgien und Kroatien gegen England um das Finale streiten.
Brexit bringt nur Nachteile für Kulturinstitutionen
Immerhin alles Mitgliedsländer der Europäischen Union. Europa wird also auf jeden Fall Weltmeister. "Es gibt schöne Sprachbilder aus dem Kulturbetrieb", zählt uns Michael Pilz auf: "wenn Fußballer zu Stehgeigern und Regisseuren werden, sich vor ausverkauftem Hause gegenseitig austanzen, den Takt vorgeben und das Spiel lesen." Na ja, wenn England die anderen austanzt, dann hält Europa den Weltpokal ja leider nicht mehr all zulange.
"Für Kulturinstitutionen hat der Brexit nur Nachteile." Das sagt Tristram Hunt, der neue Direktor des Victoria and Albert Museum in London. "Ich bin sehr besorgt, ob wir für talentierte Kuratoren nach dem Brexit noch attraktiv sind", meint er im Interview mit der WELT. "Wer will schon an einem Museum arbeiten, dessen Land einen nicht willkommen heißt? Museen sind kosmopolitisch." Da könnten manche Politiker von Museen heftig lernen.
Geschichte als Ausdruck von Macht und Willensstärke
"Donald Trumps Abkehr von transatlantischen Werten und politischen Traditionen ist historisch einzigartig", lesen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Doch er ist derzeit nicht der einzige Staatschef, der so agiert." Und dann zählt sie Charles S. Maier auf: etwa Recep Tayyip Erdoğan aus der Türkei, den philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte und Wladimir Putin aus dem Fußballland. Mit ihnen sei Donald Trump zu vergleichen. "Mit Männern, die den Lauf der Geschichte kontrollieren wollen", befindet der Historiker von der Harvard University.
"Das ist keine Geschichte, die sich aus der Entwicklung von Institutionen entwickelt, sondern der Ausdruck von Macht und Willensstärke. Diese Staatsoberhäupter helfen sich gegenseitig, das jeweilige Ansehen im eigenen Land zu stärken, indem sie mit ihrem Pendant zum Machtkampf antreten, um sich dann kurz darauf überschwänglich zu verbrüdern."
Frauen sind auf jeden Fall nicht dabei. "Die Deutschen müssen ihre Nation jetzt endlich lieben lernen", wird uns aus der Schweiz zugerufen, die leider auch schon aus der Fußballweltmeisterschaft weggetreten ist. "Durch die Globalisierung - und durch das Erstarken der Rechten in Europa, aber auch durch Trump – ist die nationale Frage, die Frage der nationalen Identität längst auch ausserhalb Deutschlands prekärer geworden." So heißt es in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG.
Schweizer Lob an Deutschland
"Deutsch zu sein, bedeutet bis heute, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen", loben uns unsere eidgenössischen Nachbarn. "Deutschland mag derzeit kein Sommermärchen sein. Aber die Deutschen sind weder besonders überheblich, noch schmoren Politik, Fussball und Wirtschaft im gleichen sauren Topf, wie das Magazin 'Der Spiegel' uns das jüngst weismachen wollte", schreibt Claudia Schwartz.
"Stattdessen sollten sie lieber an Willy Brandt denken, der einst souverän ins Kanzleramt einzog unter dem Motto: 'Stolz sein auf unser Vaterland'." Dazu passt noch ein Satz von Tristram Hunt aus seinem Interview mit der WELT: "Vernünftig Politik kann nur machen, wer eine leidenschaftliche, wirkliche Bestimmung hat."
Das letzte Wort verdanken wir der SÜDDEUTSCHEN. Sie zitiert Mick Jagger, der jetzt in Warschau aufgetreten ist und klare Worte fand, wie die polnische Regierung ihre Justiz gängeln will: "Ich bin zu alt, um Richter zu sein, aber nicht zu alt zum Singen."