Aus den Feuilletons

Europäische Einigung durch Energie

Arbeiter installieren Solarzellen auf einem Dach, aufgenommen am 06.03.2012 in Igersheim.
Die Energiefrage sei die "Jahrhundertchance" für Europa, schreiben Daniel Pelletier und Maximilian Probst in der "Süddeutschen Zeitung". © dpa picture alliance / Daniel Kalker
Von Adelheid Wedel |
Die "Süddeutsche Zeitung" erinnert daran, dass die Geschichte der EU einst mit Kohle und Stahl begann. An deren Stelle müsste etwas Neues treten: "solare Energie und vernetztes Wissen". Es gebe allerdings Widerstände zu überwinden.
"Welt in Bewegung" - diese Überschrift in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG passt wahrscheinlich fast immer. Was Daniel Pelletier und Maximilian Probst im so angekündigten Artikel über den Klimawandel für Europa entwickeln, ist auch nicht blitzneu, aber es wird Zeit, dass diese Überlegung Fuß fasst:
"Die Geschichte der EU begann mit Kohle und Stahl. Beides ist vorbei. Europa muss etwas Neues wagen."
Es sei dem Klimakiller Donald Trump und seinem Entschluss, das Pariser Klimaabkommen aufzukündigen, zu verdanken, dass das europäische Bewusstsein wächst, nicht die Flüchtlingsfrage, sondern die Energiefrage stelle das Problem der Gegenwart dar. Die Autoren führen aus, "dass sich für die Vertiefung der EU, gerade auch für eine stärkere Integration der industriell schwachen, aber sonnenverwöhnten südeuropäischen Länder, nun eine Jahrhundertchance biete".
Die technischen Voraussetzungen seien erfüllt, dass an die Stelle von Kohle und Stahl etwas Neues treten kann: "solare Energie und vernetztes Wissen". Allerdings, darauf machen die Autoren in der SZ aufmerksam:
"Man muss es politisch wollen und gegen den Widerstand der alten Energie-Eliten durchsetzen."

Lüge als legitimes Stilmittel

In der Tageszeitung TAZ behauptet Luise Glum ganz ohne Schnörkel:
"In der postfaktischen Gesellschaft hat die Lüge als legitimes Stilmittel in die politische Diskussion Einzug gehalten."
Am Beispiel der Ausstellung im Münchner Lenbachhaus unter dem Titel "After the Fact. Propaganda im 21. Jahrhundert" weist die Autorin nach: Propaganda, als gezieltes Beeinflussen des Denkens und Handelns von Menschen zur Verfolgung von Interessen, hängt eng mit der Verwendung von Sprache zusammen.
"Propaganda heute hat eine neue Dimension angenommen, hat die Abkehr von der Realität perfektioniert."
Und so lautet ihre Zusammenfassung:
"In der postfaktischen Gesellschaft wird gnadenlos gelogen oder anders gesagt, die vollkommene Selbstidentifikation mit der Realität funktioniert nach dem Prinzip: Was ich sage, ist wahr, weil ich es sage."
Die Autorin in der TAZ merkt an:
"Hier geht es um ein gesellschaftliches Phänomen, das vielleicht eine neue Ära begründet hat."

"Es gibt keine kleinen Leben"

Schriftsteller gelten ja als Fachleute im Erfassen gesellschaftlicher Phänomene. In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG gibt der Amerikaner Richard Russo auf einer ganzen Zeitungsseite Auskunft über sein Schaffen. Von dem 1949 geborenen Russo ist soeben im Kölner Dumont Verlag "Ein Mann der Tat" erschienen. Er gibt zu Protokoll:
"Meine Geschichten spiegeln generell meine persönliche Überzeugung, dass es keine kleinen Leben gibt. Leider ist dieser Glaube in unserer gegenwärtigen Kultur nicht sehr verbreitet. Meine Romane sind Ausdruck dessen, was ich schätze: Liebe, harte Arbeit, Opfer, Familie, Freundschaft, Gemeinschaft, das übergeordnete Wohl. Und, ja, mein tief zerrissenes Land."

"Hipstes Festival Europas"

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG und DIE WELT berichten anschaulich vom "Primavera"-Sound-Festival in Barcelona und sind sich einig im Loben.
"Für einen halbwegs gültigen Eindruck davon, wie es um den ambitionierten zeitgenössischen Pop steht, kann man im Juni drei Nächte auf dem Festival verbringen."
So Jens-Christian Rabe in der SZ. Und weiter:
"Vor insgesamt 200.000 Besuchern traten dort mehr als 300 Bands und Popkünstler auf, darunter nicht wenige der besten, einige der ältesten und so viele der derzeit wichtigsten wie auf keinem anderen Festival Europas."
Ivo Ligeti verpasst dem Ereignis in der WELT das Label: "hipstes Festival Europas" und nannte es "das Woodstock der Instagram-Generation". Er bemerkt weiter:
"Das Primavera-Publikum ist auffallend heterogen, was es eint, ist sein außergewöhnlicher Respekt für Musik. Es herrscht fast immer andächtige Stimmung."
Und das auch beim Auftritt "der fast 70-jährigen ewigen Disco-Schamanin Grace Jones, die mit ihrer Darbietung bewies, dass 69 das neue 39 ist."
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