Faszination Mondlandung
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50 Jahre nach der Mondlandung, blickten diese Woche auch die deutschen Feuilletons gen Himmel. "Die Welt" gratuliert in 50 Anekdoten: "Den ersten Urinbeutel bastelten die Astronauten aus Kondom, Gummischlauch und Plastiktüte", lautete eine Geschichte.
"Am 21. Juli 1969 landeten die ersten Menschen auf dem Mond." Das teilte uns die Tageszeitung DIE WELT nüchtern mit – zu einem der beiden großen Jubiläen dieser Woche. "Auch 50 Jahre später ist ihr Triumph nicht verblasst, die ein oder andere Kleinigkeit aber ist seitdem vergessen worden oder wurde erst seither bekannt", meinte Wieland Freund und gratulierte dann in 50 Anekdoten.
"Den ersten Urinbeutel bastelten die Astronauten Gus Grissom und John Glenn aus Kondom, Gummischlauch und Plastiktüte", lautete eine Geschichte. "Amerikas erste Astronauten waren Piloten", eine andere: "waren sämtlich weiß, männlich, Protestanten und aus dem Mittleren Westen."
Das Medienereignis 1969
Und, wenn wir damals schon gelebt haben – wo waren wir eigentlich am 21. Juli 1969? "560 Millionen Menschen verfolgten die Mondlandung vor 50 Jahren", erinnert der Berliner TAGESSPIEGEL an ein einzigartiges Fernseherlebnis.
"Zusammen mit unzähligen Fotos machen die Filme noch heute das kaum Vorstellbare, das Verlassen der Erde, für uns visuell ausgerichtete Menschen erfahrbar", hieß es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. "Schön, die Landung selbst war nicht in Farbe und überdies ziemlich unscharf", steht im TAGESSPIEGEL. "Aber das Drumherum" – das Andreas Austilat nie vergessen wird. "Bis dahin hatte ich am liebsten Cowboy und Indianer gespielt. Wieder zu Hause bastelte ich mir eine Mondfähre, die zu meinem Lieblingsspielzeug aufstieg." Elisabeth Binder betrachtete danach "den Mond mit anderen Augen, wenn er hell und nicht mehr ganz so fern am Himmel über den Gipfeln erschien. Wie ein Vertrauter, der uns zuzuzwinkern schien", winkt sie im TAGESSPIEGEL nun zurück.
"Das historische Ereignis lehrte uns vielleicht mehr über uns Menschen als über den Erdtrabanten selbst", holte uns die FRANKFURTER ALLGEMEINE auf den schnöden Boden der Erde zurück. "So begann schon damals das Spannungsfeld unserer menschlichen Eigensicht zwischen humaner Selbstbestimmtheit und Technologiegesteuertheit zutage zu treten", befand Sibylle Anderl. "Der sich der allgemeinen Weltraumbegeisterung der sechziger Jahre weitgehend entziehende Philosoph Günther Anders beklagte beispielsweise anlässlich der ersten Weltraumflüge die bloßen ‚Knopfdruckleistungen‘ der Abenteurer."
"Das historische Ereignis lehrte uns vielleicht mehr über uns Menschen als über den Erdtrabanten selbst", holte uns die FRANKFURTER ALLGEMEINE auf den schnöden Boden der Erde zurück. "So begann schon damals das Spannungsfeld unserer menschlichen Eigensicht zwischen humaner Selbstbestimmtheit und Technologiegesteuertheit zutage zu treten", befand Sibylle Anderl. "Der sich der allgemeinen Weltraumbegeisterung der sechziger Jahre weitgehend entziehende Philosoph Günther Anders beklagte beispielsweise anlässlich der ersten Weltraumflüge die bloßen ‚Knopfdruckleistungen‘ der Abenteurer."
75 Jahre nach dem Attentat auf Adolf Hitler
Und damit wären wir im digitalen Zeitalter angekommen – wäre da nicht der andere große Gedenktag. "Der Widerstand muss heute", lasen wir in der Wochenzeitung DIE ZEIT, "nichts mehr beweisen. Dass sie keine unverbesserlichen Nazis sind, haben die Deutschen längst gezeigt – indem sie sich mit ihrer historischen Schuld auseinandergesetzt haben und es immer noch tun", stellte Christian Staas fest – 75 Jahre nach dem Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944.
"Erst nach einer langen qualvollen Geschichte als große, legitime, ja geradezu unerlässliche politische Tat gewürdigt," woran die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG erinnerte. "Dieser über fünfzig Jahre gehende, von einflussreichen Gegenkräften behinderte Prozess der Anerkennung befreite nicht nur die Beteiligten an dem misslungenen Staatsstreich, sondern auch viele andere, zum Teil bis heute namenlose Widerstandskämpfer gegen die NS-Diktatur sowie ihre Familien von der fortwährenden Geltungsmacht des Verratsvorwurfs und der Todesurteile des Volksgerichtshofs", schrieb Manfred Schneider. "Für das Rechtsbewusstsein, für das Geschichtsbild und für die politische Kultur der Bundesrepublik Deutschland ist das fundamental gewesen", so der emeritierte Professor für deutsche Literaturwissenschaft.
Zerrbilder der NS-Propaganda
"Bis heute wirken Zerrbilder der NS-Propaganda nach", zitierte DIE ZEIT die Historikerin Linda von Keyserlingk-Rehbein, die im vorigen Jahr eine Studie über die Netzwerke des 20. Juli veröffentlicht hat. "Noch 1970 beurteilten nur 39 Prozent der Befragten den Umsturzversuch positiv", so Christian Staas. "Eine starke Mehrheit, die ‚Achtung‘ oder ‚Bewunderung‘ empfindet, gab es laut TNS Infratest erstmals 2004."
Auf vier Seiten beschäftigte sich das ZEIT-Feuilleton mit dem 20. Juli – darunter war ein langes Gespräch mit drei ZEIT-Redakteuren, die Familien des Widerstands entstammen. "Etwas hat meine Kindheit überschattet: das extrem misstrauische Verhältnis zur Nachkriegsrepublik, das fast alle Angehörigen des 20. Juli damals teilten", erzählte Jens Jessen. "Weil sie das Gefühl hatten, dass mit dem Wiederaufstieg Deutschlands letztlich die Nazis belohnt worden sind. Es war für sie schwer erträglich, dass es den Nazis nach 1949 so super gut ging und dass darüber geschwiegen wurde, wann diese Leute aufgestiegen sind, wann sie ihr Vermögen gemacht haben." Und wie sie dann ihre Karriere als Politiker und Juristen und Beamte unbehelligt fortsetzen konnten, während die Widerständler lange Jahre noch als Verräter galten.
Auf vier Seiten beschäftigte sich das ZEIT-Feuilleton mit dem 20. Juli – darunter war ein langes Gespräch mit drei ZEIT-Redakteuren, die Familien des Widerstands entstammen. "Etwas hat meine Kindheit überschattet: das extrem misstrauische Verhältnis zur Nachkriegsrepublik, das fast alle Angehörigen des 20. Juli damals teilten", erzählte Jens Jessen. "Weil sie das Gefühl hatten, dass mit dem Wiederaufstieg Deutschlands letztlich die Nazis belohnt worden sind. Es war für sie schwer erträglich, dass es den Nazis nach 1949 so super gut ging und dass darüber geschwiegen wurde, wann diese Leute aufgestiegen sind, wann sie ihr Vermögen gemacht haben." Und wie sie dann ihre Karriere als Politiker und Juristen und Beamte unbehelligt fortsetzen konnten, während die Widerständler lange Jahre noch als Verräter galten.
"Es passiert auch heute schnell, dass man sich einlässt auf die Gegebenheiten, die man vorfindet, und sie nicht hinterfragt – dass man wegschaut", sagte ZEIT-Redakteur Maximilian Probst. "Was gegen den Terror und gegen die Rechtlosigkeit schützt, verdient Unterstützung", so seine Kollegin Elisabeth von Thadden: "Und ich kenne für diese Gegenkraft kein besseres Wort als ebendieses: Demokratie."