Aus den Feuilletons

Frauen kicken anders

Die Frauen in roten Trikots jubeln und fallen einander um den Hals.
Der Frauenfußball sei "erheblich langsamer, die Ereignisdichte in der Regel geringer", sagt Kommentatorin Claudia Neumann. © Andreas Gebert / dpa
Von Arno Orzessek |
Ein Frauenfußballspiel zu kommentieren, könne ziemlich zäh sein, gesteht die Journalistin Claudia Neumann im "Tagesspiegel". Die "FAZ" widmet sich der Frage nach dem Sinn von Museen. In der "SZ" greift Whistleblower "John Doe" das kapitalistische System an.
Zunächst, liebe Rasensport-Freunde und -Freundinnen, wollen wir Sie auf die Fußball-Europameisterschaft vorbereiten. Genauer gesagt, auf Ihre Turnier-Teilnahme auf der Fernseh-Couch. Erstmals bei einem solchen Top-Ereignis wird eine Frau, nämlich Claudia Neumann, zwei Männer-Spiele kommentieren.
Weshalb ihr der Berliner TAGESSPIEGEL die Frage vorlegt, ob es Unterschiede gäbe bei der Kommentierung weiblichen und männlichen Kickens.
"Oh, ja! (ruft Neumann mit Ausrufe-Zeichen). Der Frauenfußball ist natürlich erheblich langsamer, die Ereignisdichte in der Regel geringer. Das hört sich erstmal gemütlicher an, kann aber extrem zäh werden, wenn beispielsweise 20 Minuten nichts passiert. Dazu fehlt oft die entscheidende Kulisse, also die Fan-Atmo. Da kommt man sich zuweilen ein bisschen einsam vor am Mikrofon. Atmosphärisch ist das bei den Männern natürlich viel angenehmer."

Das Museum als urbanes Wohnzimmer

Soweit im TAGESSPIEGEL die Männerfußballfreundin Claudia Neumann. Deren EM-Job sicher noch aufsehenerregender würde, wenn sie nicht Wales-Slowakei und Italien-Schweden, sondern etwa Jogis Jungs gegen Polen kommentieren würde.
Nun zu einigen Dingen, die dem Feuilleton in der Regel näher sind als Fußball. Etwa Reflexionen über den Sinn und Zweck von Museen. In der Tageszeitung DIE WELT erklärt sich darüber die ehemalige Documenta-Chefin Carolyn Christov-Bakargiev. Tut es allerdings in Phrasen à la "[das Museum]
ist immer wieder herausgefordert, ein Ort für Besucher und Künstler zu sein"
So dass wir lieber die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG aufblättern. Niklas Maak stellt das SF MoMA in San Francisco vor, das mit dem New Yorker MoMA nichts zu tun hat und durch einen Anbau nun zum größten Museum in den USA wurde.
"Diese frei zugänglichen Räume, für die kein Eintritt gezahlt werden muss, sollen ein neues Publikum anziehen, das ein Museum nicht mehr nur feierlich durchschreitet wie eine Kirche und dann schnell wieder verlässt, sondern ganze Tage in ihm verbringt, Laptops und Kaffee mitbringt und das Museum eher als urbanes Wohnzimmer benutzt. Zu dieser häuslichen Atmosphäre trägt auch die reichliche, typisch skandinavische Verwendung von hellem Holz bei […]. Darf man das? […] Man kann lange darüber streiten",
lässt der FAZ-Autor Maak die Frage offen, ob der Erweiterungsbau des SF MoMA als kollektives Wohnzimmer von San Francisco überzeugt.
Wir hören indessen heraus, dass Maak die Wohnzimmer-Idee mag.

Ökonomische Sklaven, ohne es zu wissen

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG veröffentlicht derweil ein Manifest von "John Doe". So nannte sich der Whistleblower, der letztes Jahr der SZ die Panama Papers anbot.
Und nun attackiert "John Doe" das System, dass wir, wie er warnt, "noch Kapitalismus nennen, das aber in Wahrheit ökonomisches Sklaventum ist."
"In diesem System […] wissen die Sklaven weder, dass sie Sklaven sind, noch kennen sie ihre Herren, die in einer Parallelwelt leben […]. […] Historiker wissen, dass Besteuerung und ungleiche Machtverhältnisse in der Vergangenheit bereits Revolutionen ausgelöst haben. Damals war militärische Macht notwendig, um die Menschen zu unterdrücken, während es heute genauso effektiv oder noch effektiver ist, die Menschen vom Zugang zu Informationen abzuschneiden – auch weil das im Verborgenen geschieht. Aber wir leben in einer Zeit günstiger, grenzenloser Datenspeicher und schneller Internetverbindungen […]. Es sieht also sehr danach aus, dass die nächste Revolution digital sein wird."
Übrigens betont die SZ, dass "John Does" Text und seine politische Haltung keinerlei Einfluss auf die Veröffentlichungen in Sachen Panama Papers genommen haben.
Ach ja! Falls Sie an "John Does" kommender Revolution teilnehmen wollen, könnte es nützlich sein, Snapchat zu kennen.
Sagt Ihnen nichts? Dann lesen Sie bitte in der WELT unter dem Titel Ein Gespenst geht um" Christian Meiers "Workshop für Anfänger" in Sachen Snapchat – hinterher sind Sie schlauer.
Im Blick auf das Wochenende kleiden wir unsere Wetterwünsche in eine FAZ-Überschrift und hoffen, es werde so strahlend sein.
"Als hätte die Erde die Sonne verschluckt."
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