Aus den Feuilletons

Freizügige Freidemokratinnen

Katja Suding (FDP)
Wenn es um Katja Suding (FDP) geht, ist nicht selten von ihrem Aussehen die Rede. © imago/Revierfoto
Von Arno Orzessek |
Die Feuilletons befassen sich diesmal vor allem mit Frauen. Es geht um Ava Duvernay, die Regisseurin des Oscar-nominierten Films "Selma", um ein Doku-Drama über Anne Frank und das freizügige Foto-Shooting von drei FDP-Politikerinnen.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG beäugt ein Hamburger Politikum. Sie beäugt die Beine von Katja Suding.
Zur Erinnerung: Allen erkennbaren Fakten zum Trotz wurde die FDP-Landesvorsitzende von ihrer Partei vor der jüngsten Bürgerschaftswahl als "Unser Mann für Hamburg" plakatiert.
Und mit Erfolg. Die im Bund moribunden Freidemokraten holten an der Elbe 7,4 Prozent - ein Ergebnis, das den Grünen Jörg Rupp laut FAZ "um den Verstand gebracht" hat. Tatsächlich twitterte Rupp in politischer Suizidal-Rhetorik, die Hamburger FDP habe "mit Titten und Beinen anstatt mit Inhalten" gepunktet. Suding nahm die Chauvi-Attacke lässig – und für sich in Anspruch, "‚die inhaltsstärkste Kampagne" des Wahlkampfs auf die Beine gestellt zu haben.
Unter dem Titel "Beinhart" überprüft der FAZ-Autor Michael Hanfeld nun Sudings kecke These - auch anhand einer Fotostrecke des einflussreichen Polit-Magazins GALA:
"In der Gala gaben die FDP-Spitzenpolitikerinnen Katja Suding, Nicola Beer und Lencke Steiner sich unter dem Motto 'Köpfchen trifft Körpereinsatz' zu einem 'exklusiven Shooting' ein Wahlkampf-Stelldichein. Sie turnten in figurbetonenden Roben nach dem Vorbild der 'Drei Engel für Charlie' vor der Kamera herum. 'Drei Engel für Lindner' war die Fotostrecke betitelt. Freidemokratinnen freizügig bei Freiübungen, Liberale im Spagat und im hochgeschlitzten Ausfallschritt: So sieht heute eine 'inhaltsstarke Kampagne' aus."
- konstatiert konsterniert die FAZ. Und wir sind gespannt, wie hoch sich die FDP an Sudings Beinen noch aufrichten wird.
Rosemarie Trockel geht - und keiner merkt's
Aus dem Rampenlicht hinaus tritt unterdessen Rosemarie Trockel. Sieben Jahre lang will die Künstlerin, die Bilder mit Nadeln gestrickt und Herdplatten an die Wand genagelt hat, keine Ausstellungen mehr machen.
"Die Kunst-Szene hat das Ereignis in dem Stil notiert, in dem man irgendeinen Termin aufnimmt", staunt Catrin Lorch in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
"Dabei muss man das eigentlich in Versalien schreiben: ROSEMARIE TROCKEL ist weg. Es ist ja nicht irgendwer, der geht. Ihr Name steht in Rankings seit Jahren meist auf Platz drei – nach Gerhard Richter und Bruce Nauman. Trockel ist das Beispiel für weiblichen Erfolg in einem Metier, das lange Malerfürsten vorbehalten war. Nicht nur, weil sie die Kunst um entscheidende Werke bereichert hat, sondern auch, weil ihr Werk lange als feministische Ansage gedeutet wurde."
- erklärt Catrin Lorch und zitiert Trockels berühmtes Diktum:
"Jedes Tier ist eine Künstlerin."
Die Macht heterosexueller weißer Männer
Ob der Oscar-nominierte Martin Luther King-Film "Selma" von der farbigen amerikanischen Regisseurin Ava Duvernay als feministische Ansage gelten kann, sei dahingestellt.
Allemal Klartext spricht Duvernay in der BERLINER ZEITUNG.
"Heterosexuelle weiße Männer haben seit jeher die Fäden in der Hand und halten sich für das Zentrum des Universums. Und es dreht sich fast überall zuerst um sie. Im Kino, in der Literatur, in der Werbung."
Immerhin aber nicht in den frischen Feuilletons. Setzen wir hinzu.
Denn es ist die im Konzentrationslager Bergen-Belsen ermordete Tagebuch-Schreiberin Anne Frank und genauer das Doku-Drama "Meine Tochter Anne Frank", das vor der Ausstrahlung in der ARD an diesem Mittwoch größte Aufmerksamkeit okkupiert.
In der SZ lobt Joachim Käppner:
"Der Film lebt von zwei [...] hervorragend gespielten Rollen: der 18-jährigen Mala Emde als Anne, die ihre Figur verletzlich und lebenslustig, aufsässig und liebend verkörpert, eine Meisterleistung. Fast noch eindrucksvoller ist Götz Schubert als Otto Frank, der Vater und einzige Überlebende der Familie. [...] Der Schmerz des Mannes ist fast körperlich spürbar."
Die TAGESZEITUNG dagegen kritisiert die finanziell mickrige Ausstattung des Films und zitiert den Regisseur Raymond Ley:
"Letztlich ist es unangemessen und auch gefährlich, so atemlos ein solches Projekt realisieren zu müssen."
Am besten, liebe Hörer, Sie machen sich selbst schlau. Denn die SZ hat ja irgendwo recht, wenn Sie titelt:
"Dummerweise dürfen wir nicht dumm bleiben."
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