Aus den Feuilletons

"Freudenfeuer der Literatur"

Bücher von Rainald Goetz, Büchner-Preisträger 2015
"Der Büchner- Preis ist der Lohn, mit dem Goetz nun klarkommen muss.", meint der "Tagesspiegel". © imago / Christian Thiel
Von Gregor Sander |
Mit einem schlichten "Yeah!!!" beendet die "Welt" ihre Lobeshymne auf den neuen Büchner-Preisträger Rainald Goetz. Die einzige Kritik der Feuilletons: Die Auszeichnung komme zu spät.
Das deutsche Feuilleton ist einhellig begeistert:
"Rainald Goetz, der Autor einer fraglichen und einer fragenden Literatur, einer Literatur, deren wichtigstes Material Argumente sind, erhält den Georg-Büchner- Preis 2015. Das ist eine gute, eine versöhnende Nachricht. Ein Freudenfeuer der Literatur",
schreibt Christopher Schmidt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, und Ulf Poschardt beendet seine Lobeshymne in der Tageszeitung DIE WELT auf den Autor von "Irre", "Abfall für alle" oder "Johann Holtrop" mit den Worten:
"Was für ein wundervoller, verdienstvoller Preisträger für den Büchner-Preis. Yeah!!!"
Jürgen Kaube beschreibt die Arbeitsweise des manischen Mitschreibers Goetz in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:
"Hier führt einer das eigene Leben als Instrument der Texterzeugung vor. Die überdeutlich ausgestellte Anteilnahme des Schriftstellers am Mediengeschehen, sein Realismus also, der nicht ohne Fernseher und Zeitung auskommt, ist dabei nur ein Hinweis darauf, dass wir es nicht mit einem Chronisten zu tun haben. Sondern mit jemandem, der als Schriftsteller nur so gut sein will in Sachen Wirklichkeitseindruck wie die Medien."
Der einzige Kritikpunkt des Feuilletons und auch da ganz einstimmig: Zu spät sei die Auszeichnung der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung gekommen. Das meint auch Gerrit Bartels im Berliner TAGESSPIEGEL und zitiert dann fast schon hinterlistig den künftigen Büchner-Preisträger mit den Worten:
"'Lob ist schlecht', heißt es in 'Klage', es erniedrigt 'die Welt des Gelobten wie auch den Lobenden. (...) Zustimmung schwächt, Kritik stachelt an, energiefiziert die Welt.' Der Büchner- Preis ist der Lohn, mit dem Goetz nun klarkommen muss."
Junger versus alter Terminator
Daniel Kehlmann, sicher auch ein Kandidat für den Büchner-Preis, vergleicht in der Wochenzeitung DIE ZEIT die Terminator-Filme mit dem inzwischen 67-jährigen Arnold Schwarzenegger. Kehlmann zeigt sich als großer Fan der Action-Filme, vor allem der ersten beiden Teile. Der fünfte hingegen, "Terminator: Genisys", fällt bei ihm durch, bis auf eine Szene:
"Der junge Arnold wird nun von einem alten Arnold, einem Terminator gleichen Modells, jedoch fortgerückten Alters, attackiert. Für einen wundersamen Moment sehen wir den alten Schauspieler und Ex-Gouverneur gegen den jungen Bodybuilder kämpfen, der er einst war, und man wüsste kaum zu sagen, ob die Begeisterung, die man dabei empfindet, philosophischer Natur ist (welch eine Chiffre für die Vergänglichkeit!) oder filmgeschichtlicher (was für ein schönes Bild für die Wiederbelebung eines ermüdeten Franchise-Unternehmens!) oder ob sie doch einfach nur der Begeisterung für ein unglaubliches visuelles Spektakel entspringt."
Hörspiel besser als Film
Der Büchner-Preis kann dem Schriftsteller W. G. Sebald durch seinen tragischen Unfalltod im Jahre 2001 nicht mehr zugesprochen werden. Dafür wird nun ein Werk Sebalds mit 30-jähriger Verspätung veröffentlicht. Ein Spielfilmdrehbuch über den Philosophen Immanuel Kant hatte Sebald geschrieben, aber niemand wollte diesen Film drehen und das zu Recht, wieStefan Fischer in der SZ betont:
"Die Geschichte vom lange Zeit verkannten Genie Sebald lässt sich anhand dieses Vorfalls jedoch nicht erzählen: Es wäre ziemlich sicher ein schauderhafter Film geworden. Denn Sebald hat nicht ansatzweise optisch gedacht bei seinem Drehbuch, es ist purer Text, ein Gedankenstrom, der sich zu einer klugen, charmanten und auch ein wenig hinterlistigen Biografie Immanuel Kants fügt. Aber nichts davon wäre in Filmbildern erzählt worden."
Nun hat der WDR aus dem jahrzehntealte Drehbuch ein Hörspiel gemacht und der Rezensent ist begeistert:
"Im Hörspiel hingegen ist Sprache mitunter alles; vieles kann in einem spannenden Schwebezustand gelassen werden, was im Film ein explizites, eindeutiges Bild erzwingt. Und so ist das Stück ein pointiertes, aufschlussreiches, mitunter frei erfundenes Stationen-Drama über das Leben, Denken und Sterben des Königsberger Philosophen."
Manchmal ist weniger eben mehr oder Fernseher aus und Radio an!
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