Aus den Feuilletons

"funk" von ARD und ZDF nicht besonders funky

Das Jugendangebot von ARD und ZDF heißt "funk"
Das Jugendangebot von ARD und ZDF heißt "funk" © Screenshot Youtube / Funk - ARD / ZDF
Von Hans von Trotha |
Mit dem neuen Multimedia-Angebot "funk" wollen ARD und ZDF Menschen unter 30 erreichen. Während der "Tagesspiegel" von einer bunten Mischung zwischen Böhmermann, heute-show und MTV spricht, warnt die "Welt" düster vor einem "neuen deutschen Sendungsbewusstsein".
"Das neue deutsche Sendungsbewusstsein" beschäftigt die deutschen Feuilletons. Da horcht man natürlich auf. Es geht, könnte man meinen, um den Funk, also mithin um das Medium, über das auch diese Feuilletonpresseschau ihre Hörerinnen und Hörer erreicht. Das ist aber ein Trugschluss.
Es geht nicht um "den Funk", sondern um "funk" ohne "den", wenn nicht sogar um "fank". Die Feuilletons scheinen sich da nicht ganz sicher zu sein. Während das mit dem neuen deutschen Sendungsbewusstsein, das die WELT-Titelredaktion assoziiert, für "funk" sprechen würde, ist bei der SÜDDEUTSCHEN ein "Seid funky und mehret euch" herausgekommen, was groovig eher auf "fank" setzt.
Worum es geht? Um ein neues Medienangebot mit einer langen, komplexen Vorgeschichte, die Katharina Riehl in der SÜDDEUTSCHEN am kürzesten hinbekommt: "Was mal ein öffentlich-rechtlicher Jugendkanal werden sollte, startet jetzt als Internet-Angebot."

"Sehr lässig selbstironisch"

Den Namen findet FAZ-Kritiker Michael Hanfeld "sehr lässig selbstironisch", was sehr lässig ganz schön viel Anerkennung für einen FAZ-Kritiker durchscheinen lässt:
"Der echte Name des Senders, der keiner ist, ist raus. Er lautet, kurz und knackig: 'funk'. [Hier passt das mit dem 'fank' wieder gar nicht] Das ist insofern sehr lässig selbstironisch", so Hanfeld, als 'funk' mit den alten Funkmedien Fernsehen und Radio nichts zu tun hat. "'Funk' ist ein Online-Netzwerk, das mit vierzig Formaten das Netz in all seinen Abspielformen bedient."
Markus Festenberg beschreibt das im TAGESSPIEGEL als "eine recht bunte Mischung, irgendwo zwischen MTV, 'heute-show', Böhmermann und dem, was man von YouTubern kennt", während Katharina Riehl es in der SÜDDEUTSCHEN als "Kindertisch im Netz" bezeichnet und so charakterisiert: "Die jungen Zuschauer sollen bei ihren sozialen Netzwerken die einzelnen Formate kennenlernen, jedes kämpft für sich allein."

Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens?

Viel Mühe, einen Eindruck vom dem Hör-, Seh- und Sucherlebnis zu vermitteln, das "funk" künftig bietet, gibt sich Christian Maier in der WELT. Es beginnt wie eine SPIEGEL-Reportage, in der es wie so oft in SPIEGEL-Reportagen um Alles oder Nichts geht:
"Entscheidet sich die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens an der Spitze eines schmucklosen Hochhauses zwei Minuten vom Mainzer Hauptbahnhof?"
So die suggestive Eingangsfrage. Ihr folgt ein investigatives: "'Jugendangebot von ARD und ZDF (oder so), 22. Stock' steht auf einem Zettel am Eingang vom Bonifazius-Turm A."
Um etwas vom O-Ton der neuen Plattform, also vom "Funk-Fank", zu vermitteln, streut Meier kursiv gesetzte Zitate ein, die den Leser vorerst noch etwas ratlos hinterlassen, etwa:
"'Y-Kollektiv': Ein Reporternetzwerk will die Welt zeigen, 'wie wir sie erleben', subjektiv und 'ehrlich'. 'Ich trinke Bier, um das Vertrauen der Leute zu gewinnen.'" Oder:
"Mai-Thi Nguyen-Kim trifft sich mit anderen Frauen auf dem Klo, um über 'Freundschaft, Liebe, Zukunft und Ernährung' zu sprechen. 'Ein bisschen wie Anne Will, aber die Leute gucken netter.'"

TAZ ohne funk und fank

Die TAZ-Kultur hat weder funk noch fank und setzt, als sei's Absicht, prominent einen der alleranalogsten Kulturtrendsetter der deutschen Mediengeschichte als Thema. Markus Weckesser berichtet von einer Kölner Ausstellung über den Designer Willy Fleckhaus.
"Mit 'twen' schuf Fleckhaus ein Lifestylemagazin, in dem sich rückblickend das Lebensgefühl einer Generation widerspiegelte". Und:
"Nicht weniger gerühmt wurde der Mann, der den Begriff Art Director in Deutschland etablierte, für die von ihm entworfenen Buchreihen des Suhrkamp Verlags. Seine Gestaltung stand für Klarheit, Prägnanz und hohen Wiedererkennungswert. Im Design der regenbogenfarbenen edition suhrkamp kamen zudem die Vielfalt der aktuellen Theoriebildung sowie der revolutionäre und diskursfreudige Geist der Zeit zum Ausdruck."
Mal sehen, wieviel vom aktuellen Lebensgefühl, vom funk unserer Zeit, das Portal 'funk', das mit seiner bewusst breiten Streuung ja fast so etwas wie das Gegenteil von "Klarheit, Prägnanz und hohem Wiedererkennungswert" verkörpert, später rückblickend eingefangen haben wird, wie "lässig selbstironisch" auch immer.
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