Aus den Feuilletons

"Gedankenpüree"

"Belohnung: 25.000 Euro" steht am Donnerstag (24.05.2012) auf einem Plakat am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin.
Mit der Initiative "Belohnung: 25.000 Euro" wollte die Organisation "Zentrum für Politische Schönheit" (ZPS) in diesem Jahr auf einen möglichen Panzer-Deal zwischen Saudi-Arabien und Deutschland aufmerksam machen. © picture-alliance / dpa / Matthias Balk
Von Arno Orzessek |
Es gibt Leute, die alles besser wissen, aber sich nie die Finger schmutzig machen. Zu denen zählt die SZ den Aktivisten Philipp Ruch vom "Zentrum für Politische Schönheit" zählt. Jens Bisky verreißt in der Zeitung sein politisches Manifest "Wenn nicht wir, wer dann?".
"Die Geschichte ist wieder da", titelt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG ...
Und falls Sie, liebe Hörer, nun darauf wetten: Gleich wird bestimmt von Francis Fukuyamas Buch mit dem abgedroschenen Titel "Das Ende der Geschichte"die Rede sein ... Dann haben Sie Ihre Wette jetzt gewonnen.
Josef Joffe, ehemals Herausgeber der Wochenzeitung DIE ZEIT, hat vor dem Schweizerischen Institut für Auslandsforschung eine Rede gehalten, die der NZZ trotz mittelmäßiger geistiger Gewinnspanne den Abdruck wert war. Joffe erklärt, wie vor ihm Tausende, das von Fukuyama apostrophierte Ende der Geschichte – verstanden als Dauer-Blüte westlicher Demokratie und Marktwirtschaft – habe nur bis 9/11 gedauert.
Seither wird wieder richtig Geschichte gemacht, dieser Tage auch durch die Terrormiliz Islamischer Staat. Der IS aber ist nicht wirklich pfiffig, wenn man Joffe folgt:
"Der islamistische Terror hat einen Fehler gemacht, als er von al-Kaida zum Islamischen Staat mutierte und so die klassischen Vorteile der 'asymmetrischen Kriegsführung' aufgab. Früher kam der Angriff aus dem 'Nichts'. Der IS aber hat heute eine Hauptstadt in Rakka. Er kämpft in grösseren Einheiten. Er hat schwere Waffen, Depots und Nachschublinien. Er bietet Ziele. Die lokale Verankerung macht den IS verwundbar. Es entsteht eine Asymmetrie zugunsten des Westens, der seine besten Waffen einsetzen kann. Bloss tut er es nicht."
Und das ist Joffe, dem Kriegsfreund, quasi ein Granatsplitter im Auge:
"Wir werden wieder lernen müssen, Gewalt gegen Gewalt zu setzen."
Joffe kommt darin mit Eckhard Fuhr überein, der in der Tageszeitung DIE WELT behauptet:
"Die Zivilgesellschaft wird sich an den Gedanken gewöhnen, dass auch das Waffentragen zu ihren Tugenden gehören kann."
Fuhr denkt vor allem an die Bewaffnung junger Leute.
"Vielleicht ist in dieser völligen neuen (Welt-)Lage die gute alte Wehrpflicht, heute natürlich für beide Geschlechter, doch eine Option (...). Millionen Flüchtlingen muss Sicherheit und ein menschenwürdiges Dasein garantiert werden. Terror und Bürgerkrieg im Krisenbogen des Nahen Osten, vor denen sie geflüchtet sind, muss eine möglichst breite Koalition militärisch (...) beenden. Und schließlich müssen die freien Gesellschaften ihr alltägliches Leben gegen terroristische Gewalt schützen",
addiert der Hobby-Jäger Fuhr die Gründe für eine neue Bewaffnungskultur.
Video-Experte analysiert Selbstinszenierung des IS
"Selbstmordbomber willkommen" – ist keiner jener Slogans, mit denen die Bundeswehr derzeit wirbt, sondern eine Überschrift in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Joseph Croitoru informiert über die mediale Selbstinszenierung des IS, der in einem blutigen Wettbewerb steht:
"Rivalisierende Terrormilizen, vor allem die Al Qaida nahestehende 'Nusra-Front', sind in diesem Bereich ebenfalls äußerst produktiv. Der Konkurrenzdruck ließ die Abschiedsvideos (der Selbstmordattentäter) zeitweise auf Längen bis zu zwanzig Minuten anwachsen: Auf das Verlesen des 'Testaments', das nicht selten zur Hasspredigt geriet, folgten meist eine Abschiedsszene, sowie das Besteigen des Fahrzeugs und die Fahrt zum Anschlagziel. Den Schlussakkord bildet schließlich die Explosion, eine Szene, die meist mehrfach wiederholt wird",
erklärt der FAZ-Video-Analyst Croitoru. Und er betont, die Videos seien ...
"in letzter Zeit auffallend kürzer geworden, was wohl auch damit zusammenhängt, dass sie so zahlreich zum Einsatz kommen."
Nun gibt es Leute, die alles besser wissen, aber sich nie die Finger schmutzig machen. Zu denen auch Philipp Ruch vom "Zentrum für Politische Schönheit" zählt, sofern man Jens Bisky folgt. Der Autor der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zerstampft Ruchs politisches Manifest "Wenn nicht wir, wer dann?" als "Gedankenpüree".
"(Ruch) geht es um das Große und Schöne. Da fühlt sich wie ein Kleingeist, wer einwendet, dass Kunst mit Gesinnungsgirlanden zu schlicht ist, um sich lange damit zu befassen, und Gesinnung mit Kunstsiegel nichts hervorzubringen vermag als erpresstes Einverständnis. Nun, manchmal ist man gern Kleingeist",
ätzt Jens Bisky gegen Philipp Ruch.
Keine Frage, liebe Hörer, der Horizont ist umschattet. Umso mehr wünschen wir Ihnen - mit einer Überschrift in der NZZ: "Unerwartetes Glück".
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