Aus den Feuilletons

Gedenken an "großartigen Schreiber" Michael Jürgs

04:21 Minuten
Michael Jürgs in einer Gesprächsrunde im Fernsehen während der ARD-Talksendung "Günther Jauch".
Der Publizist Michael Jürgs ist im Alter von 74 Jahren gestorben. Sein Lebenswerk erfährt große Würdigung in den Feuilletons. © dpa picture alliance/ Karlheinz Schindler
Von Klaus Pokatzky |
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Die Feuilletons würdigen den verstorbenen Publizisten Michael Jürgs. Die "SZ" erinnert an seine Mahnungen an junge Journalisten "mehr zu recherchieren, unabhängig zu sein, Distanz zu üben, und nicht den Kommentar für das Allergrößte zu halten".
"Früher steckten Könige und Fürsten ihre Territorien ab", erinnert uns die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. "Heute bestimmt die digitale Welt die Wirklichkeit." Und das kann manchmal ganz schön grausam sein. "Im Sommer 2010 verschwand die Stadt Sunrise im US-Gliedstaat Florida von der Landkarte", schreibt Adrian Lobe.

Wie eine Stadt verschwindet

"Weil sie von Google Maps getilgt wurde: Die Stadt war in dem Kartendienst nicht mehr verzeichnet. Geschäfte, Restaurants, Hotels - alles weg. Wer nach Sunrise suchte, wurde zum 320 Kilometer entfernt gelegenen Ort Sarasota weitergeleitet. Einen Monat lang fristete die Stadt ein digitales Schattendasein."
Heute stecken eben die digitalen Kaiser die Territorien auf unserem Planeten ab - und da kann es schon mal zu technischen Defekten kommen, bis die Google-Fürsten das Ganze dann endlich reparieren. "Für die 90 000-Einwohner-Stadt war die fehlende Kartierung eine mittlere Katastrophe. Ein Ladenbesitzer klagte, dass seine Umsätze einbrachen, weil ihn niemand mehr finden konnte."

Die Strahlkraft Babylons hält bis heute an

Hoffentlich verschwindet Babylon nicht eines Tages so von der Landkarte. "Als Ort des in der Bibel, im Koran und im Talmud beschriebenen jüdischen Exils", würdigt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Babylon: "als Ort des Turms zu Babel und als Ort der 'Hure Babylon', wie sie frühe Christen als Chiffre für die Schlechtigkeit ihrer Zeit bezeichneten - auch wenn sie damit eher Rom meinten", wie die Archäologin Margarete van Ess jene Stadt im Irak beschreibt, deren antike Stätten nun von der Kulturorganisation der Vereinten Nationen, der Unesco, zum Weltkulturerbe erklärt wurden.
"Alle Sparten der Wissenschaft, Religion und Kunst haben sich seither an Babylon vielfältig gerieben und tun es bis heute", erinnert Margarete van Ess. "Die Stadt war als realpolitische Schaltzentrale jedoch bereits im Alten Orient internationaler Bezugspunkt und Ort mythischer Strahlkraft." Noch bis Mittwoch wird das Welterbekomitee über Bewerbungen beraten. Vielleicht schafft es am Ende ja auch das Augsburger Wassermanagement-System zum Weltkulturerbe.

Vorbild und Inspiration für Journalisten

"Er war Blattmacher, Rechercheur, Reporter und ein großartiger Schreiber", lesen wir in der Tageszeitung DIE WELT. "Er war ein Vorbild, eine Inspiration aus der Ferne und manchmal ein Tröster", würdigt Peter Huth den nun verstorbenen Journalisten Michael Jürgs. "Eine Nachricht von ihm konnte den Tag, die Woche, das Seelenheil retten."
Geboren 1945, wurde Michael Jürgs mit 23 Jahren Chef des Feuilletons bei der Münchner Abendzeitung und entlarvte dort "Professoren als NS-Parteigänger", so die Tageszeitung TAZ, "der damalige bayerische Kultusminister und Verfassungsrechtler Theodor Maunz musste zurücktreten", erinnert Steffen Grimberg. "7500 Zeichen am Tag. Die alte Jürgs-Marke. Nicht mehr, nicht weniger", beschreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG das tägliche Schreiben bis kurz vor dem Tod. "Das war sein Maß. Immer!"
Ob als Chefredakteur der Illustrierten Stern und Tempo oder später als Autor von fast zwei Dutzend Büchern. "Wer war er noch? Tennisspieler, Branchenflüsterer, liebender Ehemann und guter Vater", schreibt in der SÜDDEUTSCHEN Hans Leyendecker. "Er trommelte gegen Pegida und AfD, aber auch gegen die vom autonomen Block sowie die 'wiederauferstandenen SED-Büttel'. Die Jungen mahnte er, mehr zu recherchieren, unabhängig zu sein, Distanz zu üben, und nicht den Kommentar für das Allergrößte zu halten."
Und DIE WELT zitiert aus einem der letzten Artikel von Michael Jürgs: "Die Nähe zu Politikern meiden, weil die Mächtigen nur dann zu kontrollieren sind, wenn man sie im Blick behält, statt sich mit ihnen, vor allem in der Arena Berlin, bei gegebenen Anlässen vertraut blicken zu lassen. Kurzum: Unberechenbar bleiben."
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