Hamsterkäufe und gefährliche Handschläge
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Das Virus war das beherrschende Thema der Woche: Die "Welt" schreibt über den Handschlag, der in Zeiten der Corona-Gefahr als lebensgefährlich gilt, die "SZ" analysiert die Sprache der Virenbekämpfer. Nur in der "Zeit" geht es um Rock'n'Roll.
"Ein Stück weit macht sich die Epidemie auch in Deutschland bemerkbar." Das lasen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "So könnte sich Jens Spahn anhören, denn der Gesundheitsminister unterhält ein nicht eben gesundes, womöglich sogar epidemisches Verhältnis zur Floskel."
Gerhard Matzig warf einen Blick in die Sprache unserer Politik, wenn es mit dem schrecklichen Virus noch schrecklicher werden sollte, und erinnerte an solche Floskeln unseres obersten Virenbekämpfers. "Ein Stück weit verselbstständigt" hatte sich für Jens Spahn einst der Streit um die Gesundheitspolitik; "ein Stück weit abgewählt" wurde die Große Koalition.
"Am liebsten würde man die Torkel-Phrase entschlossen zerstückeln, nicht ein Stück weit, einfach ganz und gar." Versprochen, Kollege Matzig: Hier ganz und gar.
"Europa spürt die Angst", stand in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. "Die Angst vor der Panik ist mittlerweile so groß wie die Angst vor dem Erreger selbst", schrieb Joachim Müller-Jung über das Coronavirus.
"In dieser Lage Entschlossenheit zu demonstrieren, Quarantäne zu verordnen, Schleimhautabstriche zu verordnen und Schulen oder Museen zu schließen bis hin zum Berufsverbot sind Möglichkeiten, die auch etwa das deutsche Infektionsschutzgesetz sehr wohl zulässt."
Kein Karneval in Venedig
Das Virus zog sich durch die Feuilletons der Woche wie sonst kaum ein Thema. "Der Karneval in Venedig ist abgesagt", titelte die SÜDDEUTSCHE. "Schon vor 300 Jahren wurden Feierwütige enttäuscht – damals allerdings wegen der Pest."
Wie viele Kulturveranstaltungen werden auch bei uns wohl noch abgesagt? Was kommt noch alles? "Nun gilt der Handschlag wegen der Corona-Gefahr als lebensgefährlich", so die Tageszeitung DIE WELT zum Virus und seinen Folgen.
"Seit einer Woche hat es Norditalien fest im Griff. Es war eine Woche, die Italien verändert hat", heißt es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG. Wir erfahren von Hamsterkäufen in den Supermärkten und von der Jagd auf Atemmasken im Internet für hundert Euro.
Und wir erfahren von Verhaltensvorschriften, "mit der die Regierung die Ausweitung des Virus eindämmen will. Sie klingen, als wolle sie den Italienern ihre Seele rauben: Bei Begrüßungen und Verabschiedungen soll man auf die üblichen Wangenküsse und Umarmungen verzichten, zu Hause bleiben und soziale Kontakte zu anderen auf ein Minimum reduzieren."
So beschreibt Karen Krüger, "wie das Coronavirus die italienische Lebensart in Frage stellt". Denn dazu gehört, "Zuneigung durch Küssen und Umarmungen zu zeigen, den Körper sprechen zu lassen, sich öffentlich zu präsentieren. Das alles ist in Italien performative, lebensnotwendige Kunst."
Und nun? "All das war in dieser Woche nicht möglich. Manche trieben die soziale Einsamkeit und das Eingeschlossensein an den Rand einer Depression."
Karen Krüger muss das alles nicht aus Agenturmeldungen zusammentragen; sie erlebt das in Mailand hautnah, weil sie dort lebt – mit Mann und zwei kleinen Kindern.
"Es ist eine Herausforderung, Kindern zu erklären, was ein Virus ist, was geschehen könnte und warum jetzt noch mehr aufs Händewaschen geachtet wird. Bei jedem Kinderschrei, der aus der Tiefe der Wohnung dringt, schreckt man hoch und hofft, im nächsten Augenblick nicht eine Platzwunde oder Schlimmeres zu sehen, denn das würde bedeuten, in die Notaufnahme zu müssen, doch in Krankenhäusern ist die Ansteckungsgefahr besonders hoch."
Kochen im Katastrophenfall
Ein merkwürdiger zeitlicher Zufall wollte es, dass ausgerechnet in diesen Wochen das Bundesamt für Katastrophenschutz Rezepte für ein "Notfallkochbuch" sucht. Verschiedene Hilfsorganisationen "geben ein Kochbuch für stromlose Zeiten heraus, und um die Einreichung von Bürgerrezepten wird nun gebeten", stand in der Wochenzeitung DIE ZEIT.
"Gekocht wird auf der Höhe der Zeit: ohne elektrische Küchengeräte, ohne Leitungswasser. Nudel roh reicht nicht. Zur weiteren Aufklärung bei Gefahr hat das Bundesamt für Zivilschutz eine App eingerichtet, namens NINA", bereitete uns Elisabeth von Thadden auf besonders heftige Zeiten vor.
"Humor hilft immer!", lasen wir da gerne. Der Musiker Billie Joe Armstrong von der Band Green Day machte uns so Mut. "Ein Grund dafür, dass die Rockmusik so fade geworden ist, liegt auch darin, dass immer mehr Musiker nur noch tiefschürfende Gefühle in ihre Musik packen wollen. Wie öde!", meinte er im Interview mit der ZEIT.
"Rock ’n’ Roll muss auch Spaß machen."
Anderes aber auch. "Kind spielt Klavier, noch stümperhaft"; "Großes Fressen mit Rülpser, Ave Caesar-Rufe; Stereo!"; "Knochensäge, Fleischwolf, Verkauf, Hacken." Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG zählt die Titel auf von roten Pappkartons, in denen einst, in alten analogen Zeiten, bei uns im Sender die Bänder mit Geräuschen fürs richtig schöne Radiomachen aufbewahrt wurden. Band von gestern – Tempi passati.
"Umso verdienstvoller, dass die Berliner Hörspieldramaturgin Stefanie Hoster", schreibt Niklas Maak, "viele der Bandkartons hat dokumentieren lassen: Die Fotografien werden in einer Ausstellung im alten Berliner Rias-Haus gezeigt, in dem heute das Deutschlandradio sitzt (Besuch nach telefonischer Anmeldung)".
Wir freuen uns auf Ihren Besuch!