Hat der Osterhase heute Geburtstag?
Ein Viertel der britischen Kinder glaubt, dass heute der Geburtstag des Osterhasen gefeiert wird, klagt die FAZ-Feuilletonistin aus London. Und wer ist schuld an der Misere? Das Feuilleton? CSU-Politiker würden diese Frage bejahen.
"Wer ist schuld an der Misere dieses Landes?", fragt die WELT am SONNTAG – und gibt eine Antwort, auf die der Feuilletonbeschauer nun wirklich nicht gekommen wäre: "Das Feuilleton." Wie das? "Unser Ressort ist ins Gerede gekommen, und das bei führenden Politikern", schreiben die Feuilletonisten Wieland Freund und Hannah Lühmann, Marc Reichwein, Sarah Pines und Andreas Rosenfelder. "'Was im Feuilleton oder in Akademiegesprächen als vermeintlich einzig denkbare Meinung formuliert und verordnet wird', sagte letzte Woche der neue CSU-Generalsekretär Markus Blume, 'ist ein elitärer Populismus der Mitte.' Auch Bayerns neuer Ministerpräsident Markus Söder gab bekannt, er wolle nicht fürs 'Feuilleton' Politik machen."
Und nach diesen Zitaten schlägt das Feuilleton der WELT am SONNTAG zurück. Elitär? "Welch lächerlicher Vorwurf, geradezu ridikül!" Ebent, würde der Berliner da sagen – und zur gleichnamigen Zeitung greifen. "Petra Kohses Kaninchen erlebt dieses Jahr bereits sein elftes Osterfest", war ein Artikel in der BERLINER ZEITUNG überschrieben – und zwar im Feuilleton! "Er bleibt meist in der Nähe und leckt jedes Stück Haut, das sich ihm bietet", wurden die nahezu humanen Eigenschaften des Karnickelmannes beschrieben. "Feuilleton ist verschnarcht", nennt die WELT am SONNTAG noch ein Vorurteil und hält dagegen: "Die schönste Stunde fürs Feuilleton schlägt dann, wenn Historisches plötzlich hochaktuell, Zeitloses brisant und Grundsätzliches faszinierend wird."
Aufklärung und Atheismus werden auch ausgeschlossen
Vielleicht so wie die Frage, wer und was alles zu Deutschland gehört?
"Was soll das, wenn Politiker die 'christlich-jüdische Prägung' der deutschen Kultur beschwören?", fragt die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG: "Es schließt nicht nur den Islam aus, auch die Aufklärung und den Atheismus." Unsere Feuilletons schließen hier aber niemanden aus. "Es schadet doch nichts, zu wissen, dass Jacke, Alkohol und Algebra zu den mehr als 1001 Wörtern gehören, die das Deutsche aus Sprachen der islamischen Welt übernommen hat", klärte uns DIE WELT auf. "Die Deutschen haben erst zu den Zeiten von Goethes 'West-östlichem Divan' angefangen, sich für den Orient zu interessieren", schrieb Matthias Heine. "Die arabischen, türkischen, neupersischen und tatarischen Begriffe borgten sie aus den Sprachen von Nationen, die gezwungenermaßen mehr mit der islamischen Welt zu tun hatten."
Vergessen wir uns Christen nicht. "Der Vatikan gibt sich auf seiner Briefmarke 2018 aufgeschlossen wie nie zuvor", hieß es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zur Osterbriefmarke aus päpstlichen Werkstätten. "Es ist der Heiland persönlich." Und was für ein Heiland! "Dieser divine Bodybuilder muss ein Fitness-Studio besucht haben", meinte Stefan Trinks zu dem Jesus im Kleinformat. "Anders als auf den tradierten Christus-Ikonen jedoch, auf denen die oft markant großen Ohren Christi als Übersinnesorgane betont sind, bedeckt das Haar diese hier fast vollständig. Zudem franst es asymmetrisch fallend an der Kontur und über den Schultern leicht aus, könnte also auch von einem Hipster-Friseur aus Berlin-Friedrichshain onduliert sein."
Der Sinn der christlichen Botschaft
Und was sagt uns Ostern noch? "Ostern sieht jeder", fand CHRIST und WELT, die Beilage der Wochenzeitung DIE ZEIT. "Wer leitkulturelle Zweifel hegt, mag sich zwar die Haare raufen angesichts der Ostereiersucher am Karfreitag", schrieb Petra Bahr, "und melancholische Gemüter fragen sich, wo die jährlichen Debatten um den Sinn der christlichen Botschaft geblieben sind". Das fragte sich auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE.
"Osterferien heißen jetzt Frühlingsferien", klagte Gina Thomas aus London. "Einer Umfrage zufolge kennen nur 55 Prozent der Briten die Verbindung zwischen Ostern und Christus. Ein Viertel der Kinder glaubt, dass nicht die Auferstehung, sondern der Geburtstag des Osterhasen gefeiert werde." Da ist noch viel zu tun – garantiert nicht nur im Vereinigten Königreich, sondern auch im christlichen Deutschland. Aber wo Gefahr ist, naht das Rettende ja auch.
CSU-Politiker mögen das Feuilleton nicht
"Man möchte das Bundesinnenministerium jetzt und immerdar nur noch Heimatministerium nennen, weil die ganze heimelig-bedrohliche Biederkeit des Wortes so herrlich zu dem passt, was Seehofer daraus machen will", meinte die FRANKFURTER ALLGEMEINE zum neuen Wirkungsfeld des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. "In der Pressemitteilung auf der Website des Heimatministeriums wurde stolz die neue Führungsriege vorgestellt", schrieb Julia Bähr, "und zwar mit einem Foto, das Seehofer inmitten von acht weißen Männern mittleren Alters zeigt, alle Staatssekretäre und Abteilungsleiter. Die einzige Vielfalt, die sich auf diesem Foto zeigt, betrifft die tausend Arten, auf die ein Anzug schlecht sitzen kann."
Da versteht man, wenn CSU-Politiker das Feuilleton nicht mögen. "Wir leben in einer Gesellschaft der Beleidigten, der Gekränkten", lasen wir in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. "Deshalb muss jede Polemik gut vorbereitet sein", lobte Paul Jandl die Polemik und den Polemiker. "Der echte Polemiker kämpft mit einem Schwert von der Grösse eines Kommas, eines Ausrufezeichens. Im Gewirbel seiner Tiraden muss er den Stoss präzise setzen. Wenn es geht, ins Herz der Gegner. Ins Knie geht auch. Nur nicht ins eigene." Und was zählte da die WELT am SONNTAG noch als Vorurteil auf? "Feuilleton ist verschwurbelt." Nix da!
"Feuilleton schreiben heißt seit Karl Kraus, 'auf einer Glatze Locken drehen'."