Aus den Feuilletons

Houellebecq droht "Le Monde"

Porträtfoto des französischen Autors Michel Houellebecq, der am 19.01.2015 in Köln seinen Roman "Unterwerfung" im Rahmen des internationalen Literaturfestival Lit.Cologne vorstellt.
Der französische Autor Michel Houellebecq stellt am 19.01.2015 in Köln seinen Roman "Unterwerfung" im Rahmen des internationalen Literaturfestival Lit.Cologne vor. © dpa / picture alliance / Horst Galuschka
Von Hans v. Trotha |
Seine Beziehung zu "Le Monde" sei geprägt von Hass, schreibt Michel Houellebecq in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Im selben Text bedankt er sich für den Frank-Schirrmacher-Preis, der ihm übergeben wurde.
Besonders stolz sind sie im Feuilleton, wenn sie Primärliteratur dabei haben. Allerdings, um jetzt gleich mal die beiden Platzhirsche gegeneinander auszuspielen – zumal der eine gleich ein ganz schön fettes Kompliment aus primärliterarischem Mund erhalten wird – , die erste Buchkritik eines großen Erzählers nach drei Jahrzehnten ist dann doch noch literarischer als der Dank für einen Preis, dessen Namensgeber eng mit der abdruckenden Zeitung verbunden ist.

Konventioneller Schmeichler

Dennoch ist ein langer provokanter Riemen von Michel Houellebecq natürlich ein Hingucker. Der bedankt sich in der FAZ für den Frank-Schirrmacher-Preis und zwar so (die NZZ bringt den Text übrigens auch, lässt den Anfang aber naheliegenderweise weg):
"In allen europäischen Ländern, die ich kenne, existiert je eine dominante Zeitung, ein Referenzblatt, wie man das nennt, im Besitz echter intellektueller Autorität über das gesamte Mediensystem. In Spanien ist das 'El País', in Italien der 'Corriere della Serra'. In Frankreich ist es 'Le Monde'. In Deutschland die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Ich habe gute Beziehungen zu 'El País', zum 'Corriere della Serra' und zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dagegen ist mein Verhältnis zu 'Le Monde' fürchterlich. Um die Wahrheit zu sagen, ist das einzige Wort, das meine Beziehung zu 'Le Monde' passend beschreiben würde, ganz einfach das Wort 'Hass'."
Da kann man einem versierten Geschichtenerzähler bei der Arbeit zusehen: Hebt an wie ein konventioneller Schmeichler, dreht das aber, vom Leser kaum bemerkt, ins Dramatische und vor allem hin zu dem Teil des Universums, der ihn wesentlich mehr interessiert als die publizistische Landschaft: er selbst. Und schon geht´s ab:
"Es ist mir klar, dass die wechselseitige Aggressivität zwischen den französischen Medien und mir, von außen betrachtet, einigermaßen bestürzend wirken muss. Die Aggressivität dessen, was man in Frankreich als `öffentliche Debatte´ bezeichnet, die aber einfach eine Hexenjagd ist, muss jemanden von außen wirklich befremden. … (Hier schaltet sich die NZZ dazu) Es gibt viele französische Journalisten, die sich über meinen Tod ganz ernsthaft freuen werden. Ich meinerseits gebe die Hoffnung nicht auf, solange ich lebe, zum Bankrott gewisser Zeitungen beizutragen."

Der Bruce-Tag

Und schon sind alle Lafetten gegen die Linke gerichtet, und es kann losgehen. Chapeau, Monsieur. So reißt einer sein Publikum mit, der weiß, wie man erzählt. Das gilt nicht minder für den amerikanischen Romancier Richard Ford und sein Feuilleton zum "B-Day". Was das ist, erklärt Michal Pilz in der WELT: "Es gibt einen internationalen B-Day, den 27. September 2016, an dem (Bruce Springsteens Autobiografie) 'Born to Run' weltweit erscheint … Von Springsteen", meint Pilz, "wird nicht weniger erwartet als das Buch zum amerikanischen Traum."
Und der Boss liefert.
"Ein überwältigender amerikanischer Traum" steht über Richard Fords erster Buchkritik seit 30 Jahren, die Willi Winkler für sein Blatt, die SÜDDEUTSCHE, nachdichten durfte. Auch hier kann jeder am eigenen Leserleib erfahren, wie ein echter Erzähler seine Leser mitnimmt:
"Für die meisten von uns neun Zillionen Bruce-Springsteen-Fans, die bei jedem Wetter seine brandgefährlichen, hochexplosiven, deckensprengenden, sauerstoffspaltenden dreistündigen Riesenspektakel von Konzerten durchgestanden haben, die sich jedes seiner Alben gekauft und nachgekauft haben, die seine Songtexte studiert, sich über sein kompliziertes musika-lisches Leben und das seiner Band gebeugt haben und auch die im Dunkel der Privatsphäre gehaltenen Ehe-, Familien- undsonstwie sinnlichen Ausflüge nicht vernachlässigt haben, und deren lebensentscheidende Situationen mit Spuren von 'No Surrender' markiert sind, das durch unser Hirn pulst – für uns alle in seinem weltweiten Publikum – besteht die ewige Faszination von Bruce (und ich schwöre, dass ich bei keinem einzigen Konzert Bruce! gerufen habe) schlicht und ergreifend: Wie schafft man es verdammt noch mal so weit in fünfzig kurzen Jahren aus Freehold in New Jersey?"
Whoaow. Mit so einem Satz beginnt halt sonst ein Roman und keine Rezension. Wem das keine Lust macht, wieder mal ein richtig gutes Buch zu lesen, dem werden die Feuilletons vom Tag wahrscheinlich auch sonst nicht viel weiter helfen können.
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