Ian McEwan möchte zurück in die EU
Kurz vor der Unterhauswahl in Großbritannien ist der Brexit Thema in der "NZZ". Dort sagt der britische Autor und vehemente Brexit-Gegner Ian McEwan, dass er am liebsten schnell ein zweites Referendum darüber hätte, ob "die Übung" nicht am besten abgebrochen werden solle.
"Ich bin ein Negationist." Ian McEwan sagt diesen Satz in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Der britische Schriftsteller erläutert ihn so: "Ich akzeptiere diesen fast schon mystischen, emotional aufgeladenen Entscheid, die EU zu verlassen, nicht." Der Brexit habe etwas in der britischen Nation hervorgebracht, allerdings nichts Gutes: "(…) vielmehr lockte er aus finsteren, feuchten Zonen die niedrigsten menschlichen Impulse ans Tageslicht, vom Kleingeist über die Gemeinheit bis zur Mordlust."
McEwan erwähnt die Androhung von Internetnutzern, die Pro-EU-Aktivistin Gina Miller zu vergewaltigen und zu ermorden, außerdem den Mord an einem Asylsuchenden und an einer Labour-Abgeordneten, die für den Verbleib in der EU geworben hatte, und fügt hinzu: "Wir drohen nicht mit Vergewaltigung. Soweit ich weiss, hat kein Remainer je einen Brexit-Befürworter umgebracht." Der Schriftsteller fordert "ein zweites Referendum über die Frage, ob wir uns auf einen schlechten Deal einlassen oder die Übung abbrechen sollen." Er hofft auf den Abbruch - "in dem Sinn, dass wir eintreten. Was eigentlich gar nicht nötig ist, denn wir sind ja schon drin in der EU." Verlogene Ausgewogenheit Ian McEwan differenziert in seinem Artikel klar zwischen "wir", womit er mal alle Briten, mal die Brexit-Gegner meint, und "ich" und unterscheidet sich damit von vielen seiner Landsleute: "Briten neigen mit leicht heuchelnder Bescheidenheit dazu, die Aufmerksamkeit von sich abzulenken, indem sie das Pronomen 'I' meiden und das unbestimmte 'one' vorziehen", schreibt Gina Thomas in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, in der wiederum Michael Hanfeld ganz ähnlich "wir" schreibt, obwohl er eigentlich "ich" meint. Arte und WDR hätten beschlossen, die Filmdokumentation "Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa" von Joachim Schröder und Sophie Hafner nicht zu senden, weil der ursprünglich als dritte Autor vorgesehene deutsch-palästinensische Publizist Ahmad Mansour nur noch Berater des Films gewesen sei. Damit sei das Projekt nicht mehr "ausgewogen" gewesen. Hanfelds Reaktion: "Diese 'Ausgewogenheit' erscheint uns ausgesprochen verlogen. Wir wollen sie anders nennen: Feigheit." Mit "Feigheit" meint Hanfeld die "Feigheit davor, sich mit dem wachsenden Antisemitismus auseinanderzusetzen". Und mit "wir" meint er "ich", also sich selbst. Das gefährliche "Wir" Das "Wir" kann auch gefährlich sein. Burkhard Müller zitiert in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG folgenden Satz aus Karl Ove Knausgårds autobiografischem, nun auch komplett auf Deutsch vorliegendem Romanprojekt "Min Kamp" als einen, den man sich unbedingt merken solle: "Wenn das Böse kommt, dann sicher nicht in Gestalt eines 'Sie', als etwas Fremdes, das wir leicht von uns weisen können, es wird in Gestalt eines 'Wir' kommen." Das "K-Wort" in japanischen Schulbüchern Allerdings kann man sich mit einem "Wir" auch liebevoll solidarisieren. Das scheint Maike Brülls von der TAGESZEITUNG vorgehabt zu haben: die Umarmung mit Japan. "In Japan gibt es Schriftzeichen-Übungsbücher für Grundschüler:innen, wo in jedem der 3.018 Sätze das Wort 'Kacke' steht. 1,8 Millionen Mal wurden sie bereits verkauft", heißt es im einleitenden Text zum Interview mit Agi Schründer, einer Grundschuldpädagogik-Professorin von der Universität Potsdam. "Sollte es solche Bücher auch in Deutschland geben?", fragt wohl gespannt, voller Erwartung die Journalistin, die im Interview die Wörter "Kacke" und "Kacken" so ungeniert in den Mund nimmt, wie es japanische Kinder nun tun. Die ernüchternde Antwort der Pädagogin: "Schule hat die Aufgabe, Kinder an eine andere Sprache heranzuführen als die schnell erlernte Alltagssprache. Wir sprechen da von einer schulischen Bildungssprache. Dieses Wort zählt eindeutig nicht dazu." "So 'ne Kacke!", mag da denken, wer will. Egal, ob wir, man oder ich – die Gedanken sind frei.
McEwan erwähnt die Androhung von Internetnutzern, die Pro-EU-Aktivistin Gina Miller zu vergewaltigen und zu ermorden, außerdem den Mord an einem Asylsuchenden und an einer Labour-Abgeordneten, die für den Verbleib in der EU geworben hatte, und fügt hinzu: "Wir drohen nicht mit Vergewaltigung. Soweit ich weiss, hat kein Remainer je einen Brexit-Befürworter umgebracht." Der Schriftsteller fordert "ein zweites Referendum über die Frage, ob wir uns auf einen schlechten Deal einlassen oder die Übung abbrechen sollen." Er hofft auf den Abbruch - "in dem Sinn, dass wir eintreten. Was eigentlich gar nicht nötig ist, denn wir sind ja schon drin in der EU." Verlogene Ausgewogenheit Ian McEwan differenziert in seinem Artikel klar zwischen "wir", womit er mal alle Briten, mal die Brexit-Gegner meint, und "ich" und unterscheidet sich damit von vielen seiner Landsleute: "Briten neigen mit leicht heuchelnder Bescheidenheit dazu, die Aufmerksamkeit von sich abzulenken, indem sie das Pronomen 'I' meiden und das unbestimmte 'one' vorziehen", schreibt Gina Thomas in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, in der wiederum Michael Hanfeld ganz ähnlich "wir" schreibt, obwohl er eigentlich "ich" meint. Arte und WDR hätten beschlossen, die Filmdokumentation "Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa" von Joachim Schröder und Sophie Hafner nicht zu senden, weil der ursprünglich als dritte Autor vorgesehene deutsch-palästinensische Publizist Ahmad Mansour nur noch Berater des Films gewesen sei. Damit sei das Projekt nicht mehr "ausgewogen" gewesen. Hanfelds Reaktion: "Diese 'Ausgewogenheit' erscheint uns ausgesprochen verlogen. Wir wollen sie anders nennen: Feigheit." Mit "Feigheit" meint Hanfeld die "Feigheit davor, sich mit dem wachsenden Antisemitismus auseinanderzusetzen". Und mit "wir" meint er "ich", also sich selbst. Das gefährliche "Wir" Das "Wir" kann auch gefährlich sein. Burkhard Müller zitiert in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG folgenden Satz aus Karl Ove Knausgårds autobiografischem, nun auch komplett auf Deutsch vorliegendem Romanprojekt "Min Kamp" als einen, den man sich unbedingt merken solle: "Wenn das Böse kommt, dann sicher nicht in Gestalt eines 'Sie', als etwas Fremdes, das wir leicht von uns weisen können, es wird in Gestalt eines 'Wir' kommen." Das "K-Wort" in japanischen Schulbüchern Allerdings kann man sich mit einem "Wir" auch liebevoll solidarisieren. Das scheint Maike Brülls von der TAGESZEITUNG vorgehabt zu haben: die Umarmung mit Japan. "In Japan gibt es Schriftzeichen-Übungsbücher für Grundschüler:innen, wo in jedem der 3.018 Sätze das Wort 'Kacke' steht. 1,8 Millionen Mal wurden sie bereits verkauft", heißt es im einleitenden Text zum Interview mit Agi Schründer, einer Grundschuldpädagogik-Professorin von der Universität Potsdam. "Sollte es solche Bücher auch in Deutschland geben?", fragt wohl gespannt, voller Erwartung die Journalistin, die im Interview die Wörter "Kacke" und "Kacken" so ungeniert in den Mund nimmt, wie es japanische Kinder nun tun. Die ernüchternde Antwort der Pädagogin: "Schule hat die Aufgabe, Kinder an eine andere Sprache heranzuführen als die schnell erlernte Alltagssprache. Wir sprechen da von einer schulischen Bildungssprache. Dieses Wort zählt eindeutig nicht dazu." "So 'ne Kacke!", mag da denken, wer will. Egal, ob wir, man oder ich – die Gedanken sind frei.