Immer weiter nach rechts
"Der Front National ist keine rechtsextreme Partei": Das soll Michel Houellebecq gesagt haben. Außerdem will der Schriftsteller angeblich den Islam in Frankreich "vernichten". Der Rechtsruck in Europa ist inzwischen allgegenwärtig, melden die Feuilletons.
"Der Front National ist keine rechtsextreme Partei."
Michel Houellebecq hat diesen Satz gesagt. Behauptet jedenfalls Gavin Bowd in einem neuen Sachbuch. Bowd übersetzt nicht nur die Romane des französischen Schriftstellers ins Englische, sondern ist auch sein Freund.
Darüber berichtet nun auch Niklas Bender in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Bowd schreibt in seinem Buch über ein Abendessen mit Houellebecq im Frühjahr 2013, bei dem unter anderem viel Absinth getrunken wurde. Da soll er gesagt haben:
Houellebecq hat zu viel Absinth getrunken
"Ich werde ein Interview geben, in dem ich zum Bürgerkrieg aufrufe, um den Islam in Frankreich zu vernichten. Ich werde dazu aufrufen, Marine Le Pen zu wählen!"
Die FAZ berichtet noch über einen weiteren Rechtsruck. Dieses Mal aus Polen. Der Warschauer Historiker Jerzy Kochanowski hat in der Straßenbahn seiner Stadt mit einem Freund aus Jena Deutsch gesprochen, wurde dann von einem jüngeren Polen aufgefordert, das zu unterlassen, und erhielt schließlich von ihm einen Kopfstoß, der "mit vier Stichen genäht" werden musste.
Gerhard Gnauck fasst nicht nur den Vorfall zusammen, sondern schildert auch die Reaktionen darauf in Polen. Es habe Solidarisierungen geben:
"Aktivisten in mehreren Städten Polens verabredeten sich zu Straßenbahnfahrten, während derer sie sich demonstrativ in fremden Sprachen unterhielten", schreibt Gnauck.
"Aber es gibt auch eine andere Seite der Medaille: Attacken und handfeste Drohungen im Internet und auf Facebook, die auch die Tochter Kochanowskis trafen."
Integrationskurse für "Biodeutsche"
Viele Hassmails hat die Soziologin Annette Treibel bekommen, erfährt der Leser durch das Gespräch mit Julia Lorenz von der TAZ. Der Auslöser: Treibel hatte bei einer Fachtagung gefordert, Integrationskurse nicht nur für neue Deutsche, also die mit Migrationshintergrund, anzubieten, sondern auch für alte, für sogenannte Biodeutsche.
Beide Seiten seien gefordert gemäß einer uralten soziologischen Definition von Integration: "Dass Integration nicht nur Teilhabe und Eingliederung, sondern auch Zusammenhalt meint", sagt die Soziologin und räumt mit einem Missverständnis auf:
"Zusammenhalt in einer modernen Gesellschaft heißt auch, dass es in Ordnung ist, wenn man nebeneinander lebt. Nicht alle müssen sich lieben. Und nicht alle EinwanderInnen müssen mit allen Biodeutschen einverstanden sein und umgekehrt."
Diejenigen, fast ausschließlich Männer, die ihr Hassmails geschickt hätten, könne sie sich nicht in einem Integrationskurs vorstellen, der als Angebot zu verstehen sei, erläutert Annette Treibel.
"Mir ist auch klar, dass PolitikerInnen wie Alexander Gauland oder Frauke Petry vermutlich nicht kommen würden, und wenn doch, dann nur, um Munition für ihre Tiraden zu sammeln."
Jeder Zweite misstraut den Medien
Auf die beiden und vor allem auf viele ihrer Wähler, aber nicht nur auf die, dürfte folgende Bemerkung des Journalismusforschers Kim Otto im Gespräch mit Sebastian Jannasch von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zutreffen:
"Für sie sind die Medien Teil des Systems, des Establishments, das sie ablehnen."
Otto hat Daten der Europäischen Kommission zu der Frage ausgewertet, wie sehr oder wenig die Deutschen den Medien vertrauen. Demnach habe das Misstrauen von 45 Prozent im Jahr 2014 auf nun 49 Prozent zugenommen. Gegenüber der Presse stärker als gegenüber dem Rundfunk.
Überrascht hat den Forscher vor allem ein Befund: dass ganz besonders junge Deutsche den Medien misstrauen:
"Fast 63 Prozent der 25-34-Jährigen vertrauen der Presse nicht, 2014 war noch weniger als die Hälfte in der Altersgruppe skeptisch eingestellt. Das ist ein gravierender Anstieg."
Und das hänge wiederum vermutlich damit zusammen, dass die jungen Leute ihre Nachrichten vor allem über ungeprüfte Quellen im Internet bezögen, die dann den Informationen der etablierten Medien widersprächen.