Israelische Autorinnen und die Jerusalem-Frage
Die israelische Schriftstellerin Zeruya Shalev hält in der "Zeit" Trumps Erklärung, Jerusalem gehöre zu Israel, für berechtigt. Ihre Kollegin Dorit Rabinyan macht sich hingegen Sorgen um die innenpolitische Lage. Und Bloggerin Juna Grossmann widmet sich dem Hass bei den Protesten in Berlin.
"Also, was denkt ihr über Jerusalem?" – das fragt die israelische Schriftstellerin Zeruya Shalev halb neugierig, halb provokant zwei palästinensische junge Mädchen, die sie zufällig während eines Fluges nach Barcelona kennen lernt. Die ZEIT macht diese Frage zum Titelthema ihrer neuesten Ausgabe, und zieht das Nachdenken über die Stadt, die für Juden, Christen und Muslime gleichermaßen ein spirituelles Zentrum des Glaubens ist, durchs gesamte Blatt. So unterschiedlich die Sichtweisen ausfallen, so eindeutig war US-Präsident Trump: Jerusalem gehört zu Israel. Sein Vorstoß sei "einseitig und empörend … Wer braucht solche Erklärungen? Noch dazu aus dem Mund eines lächerlichen und gefährlichen Präsidenten", meint Zeruya Shalev, und doch hält sie die Erklärung in der Sache für berechtigt.
"Schließlich hatte die Teilungserklärung der UN im Jahr 1947 zwei getrennte Staaten in diesem Land vorgeschlagen, während Jerusalem ein internationaler Status zugesprochen wurde. Die Juden akzeptierten diesen Vorschlag und tanzten auf den Straßen, doch die Araber lehnten ihn ab und eröffneten an der Seite arabischer Staaten einen Krieg, den sie letztlich verloren. Dieser Krieg ist die Ursache für das schmerzliche Problem der arabischen Flüchtlinge, das zu lösen die arabischen Länder keine Anstalten getroffen haben."
So sieht es Zeruya Shalev in der ZEIT.
"Hass ist Hass"
Die FAZ erteilt mit Dorit Rabinyan einer anderen prominenten israelischen Autorin das Wort. Sie macht sich Sorgen um die innenpolitische Lage ihres Landes, das politisch unter Netanjahu nach rechts gerückt ist, für das aber ihrer Meinung nach gilt: "Die Bevölkerung rückt keineswegs nach rechts, aber einer umtriebigen lautstarken kleinen Gruppe ist es gelungen, den Eindruck zu erwecken, sie wäre 'das Volk'". Ebenfalls in der FAZ beschreibt Juna Grossmann, die Bloggerin hinter "irgendwie jüdisch" aus Berlin, was ihr bei den jüngsten Protesten, die vereinzelt in offenen Hass gegen Juden umschlugen, besonders nah ging:
"Es macht keinen Unterschied, ob jemand, der mich wegen meiner Religion hasst, einen Thor-Hammer um den Hals trägt, ob er sich zum Beten niederkniet oder das heilige Spaghettimonster anbetet. Antisemitismus ist Antisemitismus, und Hass ist Hass."
Schlüssel zur Begeisterung für polyphone Musik
Während mit Beginn des Chanukka Festes also einige Feuilletons den Schwerpunkt auf jüdische Themen legen, macht sich Moritz von Uslar in der ZEIT auf die Reise zu drei Neuinszenierungen der Vorweihnachtsoper, nämlich Humperdincks "Hänsel und Gretel". Sein angenehm musikologiefreier Blick setzt andere Schwerpunkte, als man sie sonst aus Opernkritiken kennt:
"Zur Rezeption von Hänsel und Gretel gehören die Erinnerung und die Erfahrungen, die alle Beteiligten zur Zeit ihrer Kindheit mit dieser Oper gemacht haben. Ein Regisseur muss sich deshalb immer um alle drei Generationen kümmern, die Kinder, die Eltern und die Großeltern, die beim Besuch der Oper eine frühkindliche Erfahrung noch einmal durchleben wollen", schreibt von Uslar in der ZEIT, und über jenes magische Vorspiel, "in dem alles steckt, was ein Kind nur einmal gehört haben muss, um für immer für die polyphone klassische Musik entfacht zu sein". In unserer angeblich so klassikfernen Gesellschaft ist das schon ein mutiger Satz – und eine ganz häufige Erfahrung.
Mehr Experimentierfreude beim Festschmaus
Die Neue Zürcher Zeitung trällert schriftlich - unter der Überschrift "Die stille Nacht und die lauten Lieder" unternimmt Ueli Bernays einen Querbeet-Spaziergang durch die festtägliche Pop-Musik. Die springt ein, wenn "wir die alten Weihnachtshymnen Strophe um Strophe vergessen haben". Wobei die populären Songs inzwischen natürlich selbst Klassiker-Status haben und oft genug Coverversionen alter Weihnachts-Standards sind, denn "das familiäre Setting ist ein ungünstiger Rahmen für musikalische Spielarten von Sex, Drugs and Rock'n Roll".
Wie wahr. Wobei man ja wenigstens mal beim Festschmaus etwas experimentierfreudiger werden könnte. Muss ja nicht gleich "Trüffel und Büchsenfraß" –die TAZ – werden.