Ist die Sexismus-Debatte verlogen?
Angesichts der weltweiten Reaktionen auf die Belästigungspraxis des US-amerikanischen Produzenten Harvey Weinstein hat sich der "Tagesspiegel" in der hiesigen Filmbranche umgehört. Eine Schauspiel-Agentin kritisiert, dass eine Mischung aus Voyeurismus und Glamourfaktor das Thema in den Medien halte.
Noch keineswegs ausgestanden ist die Causa Harvey Weinstein. Angesichts der weltweiten Reaktionen auf die jahrzehntelange Belästigungspraxis des US-amerikanischen Produzenten fragt Christiane Peitz im Berliner TAGESSPIEGEL:
"Was ist wichtiger? Die Aufklärung über Machtmissbrauch oder die Bekenntnisse prominenter Opfer von Gewalt?"
Peitz tut aber nicht ihre eigene Meinung kund - sie hat sich in der hiesigen Film-Branche umgehört.
"Heike-Melba Fendel von der Agentur Barbarella […] hält die Debatte für verlogen. Es sei die Mischung aus Voyeurismus und Glamourfaktor, die das Thema auf die Titelseiten bringt, sagt sie am Telefon. In ihrem aktuellen 'Zeit-Online'-Blog schreibt sie: 'Besoffen vom Quoten-Click und Auflagen-Cocktail, gemixt aus je einem Drittel Sex, Promigeilheit und Betroffenheit, garniert mit einem Schuss Spekulation, strecken und verlängern sie den Skandal gemäß dem Motto: schlimm, aber sexy.'"
Für jedes männliche Fehlverhalten ein Hashtag
In der Tageszeitung DIE WELT regt sich Birgit Kelle darüber auf, dass viele Frauen immerzu aus Opferperspektive denken würden. Kelles Beispiel:
"Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli exerzierte gerade vor, wie weiblicher Opferkult funktioniert. Sie sei 'unter Schock'. Ein Herr auf dem Podium einer Veranstaltung, bei der sie zu spät kam, hat sie erst nicht erkannt und sich dann überrascht gezeigt, dass sie so jung und so schön sei. Klarer Fall: Hängt ihn! Ist ja mindestens genauso schlimm wie ein Harvey Weinstein, der Schauspielerinnen zum Oralverkehr gezwungen hat. Mindestens … "
Zelebriert die WELT-Autorin Kelle ihren Sarkasmus – und legt nach:
"Für jedes männliche Fehlverhalten ein Fachbegriff. Die Schönheit einer Frau wahrgenommen, statt ihres ohne Zweifel existenten, brillanten Intellekts: Hashtag Lookism. Einer Frau sagen, sie soll mal runterkommen, weil gar nichts passiert ist: Hashtag Victimblaming. Und selbst für das breitbeinige Sitzen in U-Bahnen hat die Empörungsindustrie schon einen Ausdruck: Hashtag Manspreading."
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