Joseph Beuys und sein kroatisches Groupie
Die "taz" würdigt Joseph Beuys Auferstehung im kroatischen Labin: Eine 80-jährige Baronin hat dort eine Kunstbiennale im Zeichen des 1986 verstorbenen Künstlers initiiert, mit der sie vergleichbare Biennalen, einschließlich der in Venedig, toppen will.
Vorösterliche Besinnungszeit greift um sich, bei den Überschriften der Zeitungen fühlt man sich an alte Schulaufsätze erinnert, so a la "erörtere und erwäge"...
"Schön reden, klar denken"
Die BERLINER ZEITUNG zieht eine Zwischenbilanz der Amtszeit von Kulturstaatsministerin Monika Grütters.
"Gerecht und fair, das ist schwer", reimt der TAGESSPIEGEL, wenn er sich einmal mehr der Rückgabe von NS-Raubkunst widmet.
Die TAZ erörtert im Zuge der Rezension eines Pop-Albums die "Kaputtheit der Lage" und die BERLINER ZEITUNG spricht mit dem Autor und Filmemacher Alexander Kluge über "die Evolution und seine erste Begegnung mit King Kong." Die verlief relativ unspektakulär.
Interessantes aber hat Kluge vom Sozialphilosophen und Freund Oskar Negt zu berichten, wir lesen:
"Neulich hat er im Wiener Zoo einen Gorilla besucht. Der drehte dem Publikum den Rücken zu. Und Oskar, als geduldiger Ostpreuße, hat den ganzen Nachmittag gewartet. Doch bis der Zoo schloss, hatte sich der Gorilla nicht zu ihm umgedreht. Das nenne ich Gelassenheit."
Ein hennarotes Beuys-Groupie
Aber wo bleiben wir nun wirklich hängen bei den Feuilletons des Tages? Bei der TAZ, denn die verheißt uns ein vorösterliches Wunder:
"Joseph Beuys lebt".
Das kroatische Labin nämlich steht ganz im Zeichen des Meisters von Filz und Fett - eine imposante, hennarote, 80-jährige Baronin hat hier im Alleingang eine Kunstbiennale aus dem Boden gestampft, die ganz im Zeichen ihrer groupiehaften Beuys-Verehrung steht, und die – für die Baronin – sämtliche sonstigen Biennalen einschließlich der in Venedig in den Schatten stellt.
Das Wort Baronin oder Baronesse fällt im süffisant-lesenswerten Text von Alem Grabovac übrigens gefühlte 130 Mal. Eine kleine Reise lohnt sich trotzdem – die Landschaft ist pittoresk, das Meer schimmert, Zypressen, Pinien:
"Und mit ein wenig Glück treffen Sie möglicherweise auch noch eine wahrhaftige Baronessa, mit der Sie sich prächtig über die Kunst des Joseph Beuys unterhalten können".
Tizian in New York würdigen
"Das hier ist eine Leistungsschau der Malereikuratoren."
Wir sind kurz über den großen Teich gehüpft. Das New Yorker Metroplitan Museum hat ein Gebäude dazu bekommen und nutzt es für eine wirklich imponierende Schau, "Unfinished" ist eine Ausstellung gewordene Seminararbeit über das Phänomen des Unfertigen in der Kunst von der Frührenaissance bis gerade eben, so die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Unter anderem gibt es Gemälde des späten Tizian zu bewundern, die in ihrer scheinbaren Unfertigkeit schon Regalmeter an kunsthistorischer Literatur vorgebracht haben. Wer kann, gehe hin, auch wenn das Metropolitan recht weit weg ist…
"Je weiter man sich aus Europas Mitte gen Norden bewegt, desto weniger polemisch wird in der Kunst das Verhältnis zwischen alten Überlieferungen und innovativen Techniken empfunden. Erneuerung gilt weniger als Zerstörung, eher als organisches Fortwachsen des Bekannten."
So hintersinnig beginnt Jan Brachmann in der FRANKURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG seinen Nachruf auf den Komponisten Peter Maxwell Davies, der in seinem windumtosten Haus auf einer schottischen Orkney Insel 81-jährig verstarb, und dessen Werk in Deutschland bislang eher ignoriert wird.
Ein "Leuchtturm" der Neuen Musik
Ob er nun ein tatsächlich "Leuchtturm" war, wie die NEUE ZÜRCHER ZEITZUNG schreibt, mag die Zeit entscheiden – die WELT jedenfalls rühmt, dass Maxwell Davies genau die Kombination auszeichnet, die sonst in der Neuen Musik so vermisst wird.
"Ein Mann des 20. Jahrhunderts, der keinem noch so verkopften oder durchgeknallten Experiment abgeneigt war. Und ein kommerziell erfolgreicher Komponist, der Filmmusik und Ohrwürmer schreiben konnte: Max kleines Orchesterstück 'Orkney Wedding with Sunrise' schaffte es bis in die Last Night of the Proms."
Was den Briten bekanntlich ein fast so dickes Adelsprädikat ist wie ein "Sir Peter"…
In der SÜDDEUTSCHEN heißt es:
"Inmitten rauer Meeresmusik liegt immer eine imaginäre friedvolle Mitte."
Und die WELT zitiert den Komponisten, den alle nur Max nannten:
"Komponieren ist nur zehn Prozent. Neunzig Prozent der Mühe braucht man, um Gehör zu finden."
Max hat sein Werk vollendet. Jetzt sind wir dran.