Aus den Feuilletons

Klima der allgemeinen Hilflosigkeit

Der zerstörte syrische Baalschamin-Tempel in der Oasenstadt Palmyra.
Der zerstörte syrische Baalschamin-Tempel in der Oasenstadt Palmyra. © AFP / Joseph Eid
Von Hans von Trotha |
Eine Art Nachruf schreibt die "SZ" auf den durch den IS zerstörten Tempel im syrischen Palmyra, für den "Tagesspiegel" ein "Symbol des Elends". Zudem wird noch einmal des am 18. August bestialisch ermordeten Archäologen Khaled al-Asaad gedacht.
Ein schwarzer Tag für die Kultur. Also ein schwarzer Tag in den Feuilletons.
"Schwarzer Tag", so ist Sonja Zekris Beitrag zur Sprengung des Baal-Schamin-Tempels in Palmyra durch den sogenannten IS in der SÜDDEUTSCHEN überschreiben. Zekris bringt uns den zerstörten Tempel nah, fast wie in einem Nachruf: Er enthielt, beschreibt sie,
"Stilelemente, die nur in Palmyra vorkamen, die Proportionen waren ein wenig anders, die Formen waren hier ein wenig übertrieben, im Statuarischen hatte man dort etwas weggenommen …"
Im TAGESSPIEGEL schreibt Rüdiger Schaper:
"Palmyra ist zu einem Symbol des Elends in Syrien geworden. Hier werden Menschen entführt, gefoltert und bestialisch ermordet vor der majestätischen Kulisse der antiken Stadt, die nun selbst bedroht ist."
In der WELT ruft Swantje Karich aus:
"Es bleibt nur eine Frage an die Länder, und sie ist wohl ganz im Sinne des bestialisch ermordeten Archäologen von Palmyra, Khaled al-Asaad: Was passiert jetzt mit den Fragmenten, mit den Resten?"
Berührende Gesten
Denn mit dem Nachruf auf den Tempel ist der Nachruf auf den Direktor der antiken Stätte verbunden. Die SÜDDEUTSCHE berichtet:
"In einem bemerkenswerten Akt der Solidarität mit einem Kollegen, der sein Leben für seine Arbeit gab, senkten die Museen in Italien tagelang ihre Flaggen auf Halbmast."
Im Klima der allgemeinen Hilflosigkeit eine berührende Geste.
Am Persönlichsten und Schonungslosesten erinnert Rolf A. Stucky in der NZZ an Khaled al-As’ad,
"Nachdem der sogenannte Islamische Staat Palmyra im Mai dieses Jahres eingenommen und eine Schar jugendlicher Soldaten der Regierungstruppen auf der Bühne des antiken Theaters geköpft hatte, blieb der 81-jährige Khaled al-As’ad dennoch in der Stadt, um die Sicherheit der Kunstwerke zu überwachen. Dort wurde der ehrwürdige Greis verhaftet, schwer gefoltert und am 18. August auf dieselbe grausame Art öffentlich hingerichtet."
Sonja Zekri zitiert in der SÜDDEUTSCHEN den Archäologen Andreas Schmidt-Colinet:
"Nicht um einen Tempel gehe es, eine Statue, eine Säule, sondern um die Bedrohung für das kulturelle Gedächtnis der Menschheit. … Nur ein entschiedener militärischer Einsatz aller verantwortlichen Staaten … nur 'Bomben für Palmyra' könnten jetzt noch Schlimmeres verhindern."
Andreas Kilb schreibt in der FAZ:
"Wenn schon das Leid von Millionen Bürgerkriegsopfern keine Intervention erzwingt, wie sollten es die geschändeten Kulturstätten tun? Freilich werden die Flüchtlinge aus Syrien, wenn sie einmal zurückkehren, wenig von dem vorfinden, worauf sich einmal ihre Identität gründete. Der Genozid der kulturellen Erinnerung macht die Vertreibung erst unumkehrbar."
Und:
"Der Islamist möchte die Welt, wie wir sie kennen, nicht verändern, sondern auslöschen. …. Deshalb ist es eine Illusion zu glauben, der IS würde irgendwann, etwa aus besserer Einsicht in die Vermarktbarkeit seiner Beutegüter, von selbst seinen Vernichtungsfeldzug einstellen. Man kann ihn nur stoppen. Mit allen Mitteln. Der Krieg um die Kultur ist kein Menetekel von morgen, er hat längst begonnen."
Verbrecher an der Macht
Und er hat mehr Schauplätze, als wir vielleicht denken.
"Man kann die christliche Kultur auf unterschiedliche Weise zugrunde richten."
Mit diesen Worten beginnt ein Beitrag von Kerstin Holm in der FAZ:
"Die Russische Orthodoxe Kirche setzt auf Subordination, Einschüchterung und aggressive Staatshörigkeit. Der jüngste Überfall selbsternannter orthodoxer Sittenwächter … auf eine Skulpturenausstellung in der Moskauer Manege zeigt, dass sich um das Kulturleben in Russland ein Belagerungsring zusammenzieht."
Da berührt Tim Neshitovs Bericht in der SÜDDEUTSCHEN vom Auftakt zu einem Prozess ganz besonders, den dieses Russland dem jungen ukrainischen Filmemacher Oleg Senzow macht.
"Auch wir hatten Verbrecher an der Macht", sagte der in seinem Plädoyer.
"'Aber wir gingen gegen sie auf die Straße. Man hörte uns nicht zu – wir hauten auf die Müllcontainer. Man wollte uns nicht sehen – wir zündeten Autoreifen an. Am Ende siegten wir. Früher oder später wird das Gleiche bei euch hier passieren. Ich weiß nicht, in welcher Form, und ich will nicht, dass jemand zu Schaden kommt, ich will einfach, dass ihr nicht mehr von Verbrechern regiert werdet.' Da unterbrach ihn der Richter."
Wie gesagt, ein schwarzer Tag.
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