Kopfschütteln über Merkels neuen Slogan
Die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel und der AfD-Erfolg in Mecklenburg-Vorpommern beschäftigten die Feuilletons der Woche. In der "FAZ" schmetterte Christian Geyer der Kanzlerin Klartext entgegen.
Kaum zu glauben, denn als Zauberzunge gilt sie ja nicht. Aber Angela Merkel hat tatsächlich schon wieder einen genial bedeutungsoffenen Slogan geprägt, der das politische Volk umtreibt.
Auf das Flüchtlingskrisen-Credo "Wir schaffen das" folgte nun im Bundestag die staatliche Lebensversicherung "Deutschland bleibt Deutschland" - und zwar, so Merkel, "mit allem, was uns lieb und teuer ist".
"Wie will Angela Merkel 'Migration' als die geheiligte Rückseite der Globalisierung in den zivilreligiösen Bestand des Gemeinwesens aufnehmen und gleichzeitig das, was 'uns', den Individualpsychen, lieb und teuer ist, unter Artenschutz stellen? Wer von seinen Bürgern mehr als Rechtstreue verlangt, lädt sich als Staat absurde Begründungspflichten auf."
Verärgerung über die Kanzlerin
Die Verärgerung des FAZ-Autors Geyer über die monatelange moralische Bevormundung des Landes durch Merkel war deutlich zu spüren.
Sonst gelegentlich zu überintellektueller Verquastheit neigend, schmetterte Geyer der Kanzlerin im Klartext entgegen:
"Gewährleisten Sie Rechtssicherheit, aber bleiben Sie Deutschland mit Werten vom Hals!"
Fairerweise müsste jetzt eine Stimme zugunsten Merkels und ihres verbalen Moralismus' folgen. Ihre Handlungen sind ja bekanntlich eine ganz andere Sache. Allein, die Feuilletons hielten sich in diesem Punkt bedeckt.
Stattdessen konnte man im Berliner TAGESSPIEGEL lesen: "'Frau Merkel, Ihr Alleingang ist Diktatur.'"
Allerdings stand dieser fiese Anwurf auf einem Plakat, das während einer AfD-Demonstration hochgehalten wurde.
Und mit dem Foto der Demonstration bebilderte der TAGESSPIEGEL den Artikel "Angst ist ein schlechter Ratgeber".
Darin begründete Christian Schröder nach dem Erfolg der AfD bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern, "warum die AfD keine konservative Partei ist".
"Die AfD ist eine bürgerliche Partei – aber keine konservative. Konservative sehen sich als Bewahrer, berufen sich auf Tradition, Herkunft, Religion und wollen die Welt vor Veränderung schützen. Die AfD belässt es nicht beim seufzenden Beschwören vergangener, vermeintlich besserer Zeiten, sie möchte Staat und Gesellschaft radikal umbauen. Raus aus EURO, EU und Nato, so lauten die Exit-Strategien. Deutschtümelei rein."
Und wie soll man nun mit dieser piefig-revolutionären AfD umgehen?
Die FAZ wusste Rat: "Seid furchtlos und führt die Debatte."
"Der Ekelfaktor prägt den Umgang mit der AfD. Das ist sinnlos, kontraproduktiv und verrät Misstrauen gegenüber unserer Demokratie", bemerkte Paul Ingendaay.
Überbietungswettbewerb mit der AfD
Die TAGESZEITUNG unterstellte derweil der CSU, in "einen Überbietungswettbewerb mit der AfD" zu treten.
Daniel Bax schnaubte:
"Das ist nicht mehr rechtspopulistisch, das ist rechtsradikal. Die CSU fordert nicht nur ein 'Einwanderungsbegrenzungsgesetz', um die Zuwanderung nach Deutschland zu verringern. Sie möchte darin auch den 'Vorrang für Zuwanderer aus unserem christlich-abendländischen Kulturkreis' festschreiben. Formulierungen wie 'Deutschland muss Deutschland bleiben' erinnern eher an Pamphlete der NPD als an eine christlich-konservative Partei."
An dieser Stelle hätten wir mal eine Frage, liebe TAZ:
Wenn Du die Parole 'Deutschland muss Deutschland bleiben' für NPD-mäßig hältst ... was ja gar nicht mal so abwegig ist ... , wofür hältst Du dann erst Merkels Parole 'Deutschland bleibt Deutschland'? Haben wir etwa eine braune Kanzlerin, liebe TAZ?
Oliver Stone empört sich über Hillary Clinton
Nun denn. Die Wochenzeitung DIE ZEIT kümmerte sich um den Wahlkampf in den USA und befragte dazu Oliver Stone.
Der Filmregisseur ist gegen Donald Trump – Hillary Clinton findet er jedoch fast noch schlimmer.
"Sie ist eine Kriegerin. Und sie scheint keinerlei kritische Selbstwahrnehmung zu haben, was die Kriege angeht, die sie unterstützt hat. Ihre Libyenpolitik hat die Region zu einer Schlangengrube des IS gemacht. Für die Unterstützung des Irakkriegs hat sie sich inzwischen entschuldigt. Aber was ist mit Syrien? Mit ihrer Forderung, die Truppenstärke in Afghanistan zu erhöhen? Auch in Lateinamerika hat sie einen harten Kurs eingeschlagen, um die Unabhängigkeit der Demokratie zu untergraben. Wo man auch hinschaut, hat sie aussichtslose militärische Lösungen bevorzugt",
empörte sich Oliver Stone in der ZEIT.
Falls Sie, liebe Hörer, in all dem Politischen so ein richtig kulturelles Thema vermissen: Bitte schön!
50 Jahre Pop-Kultur
Unter der sehr großen und sehr bunten Jahreszahl "1966" feierte die Tageszeitung DIE WELT den fünfzigsten Geburtstag der Popkultur.
Natürlich war das reine Suggestion! Die Popkultur hat viele Geburtsjahre ...
Aber wie sich der WELT-Autor Michael Pilz in mitreißendem Enthusiasmus auf 1966 fokussierte – das war schon sehr okay!
Allein die Unterschrift unter den Schwarz-Weiß-Fotos auf der Seite verdeutlicht: Es kam damals so einiges in die Spur.
"Vor 50 Jahren freakten Frank Zappas Mothers oft Invention aus, die Beatles wurden mit 'Revolver' psychedelisch, die erste Folge von 'Raumschiff Enterprise' wurde gesendet, Michelangelo Antonioni hetzte einen Fotografen durch Swinging London, und Andy Warhol stellte eine Hausband für sein 'Factory' zusammen – sie hieß Velvet Underground."
Und heute?
Malick und die Urgewalt der Erde
Nun, die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG feierte unter der Überschrift "Den Ursprung allen Seins schauen" Terence Malicks Essay-Film "Voyage of Time", der bei den Filmfestspielen in Venedig im Wettbewerb lief.
"'Voyage of Time' scheut sich trotz seiner rationalen Grundierung nicht, sich Gefühlen quasireligiöser Erhabenheit zu ergeben und die großen Menschheitsfragen zu stellen. In den Mund gelegt hat sie Malick der Erde selbst, welcher Cate Blanchett im Film eine Stimme verleiht. 'Wo bist du, Mutter?' oder 'Wer brachte mich hierher?', fragt sie, gerichtet an jene unbestimmte Urgewalt, deren Wirken wir im Film erleben. Wir werden zurückgeführt an den Anfang aller Dinge",
schwärmt die NZZ am Ende unserer Presseschau.
Naheliegenderweise verabschieden wir uns mit einem Appell, der in der SZ Überschrift wurde:
"Bleibt der Erde treu!"