Aus den Feuilletons

Kosmopolit aus zwei Kulturen

Der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani, steht nach der Verleihung des Kleist-Preises am 18.11.2012 in Berlin im Berliner Ensemble.
Der Schriftsteller Navid Kermani © picture alliance / dpa / Marc Tirl
Von Adelheid Wedel |
Der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani wird am Sonntag mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Die "TAZ" lobt die Entscheidung. Kermani sei ein politischer Brückenbauer - und ein "Segen für die deutsche Gesellschaft".
"Dieser Autor ist, religiös gesprochen, ein Segen für die deutsche Gesellschaft. Er vermag es, Frieden zu schaffen zwischen Sphären, die sich scheinbar widersprechen."
Philipp Gessler schreibt diese Sätze in der Tageszeitung TAZ über den Schriftsteller Navid Kermani, der an diesem Sonntag in Frankfurt am Main mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wird. Der Autor charakterisiert den deutsch-iranischen Schriftsteller so:
"Vielleicht das Beste, was über ihn zu sagen ist, er lässt sich nicht gern vereinnahmen und auf einen Punkt bringen. Die Weite seines Werks hat etwas Spielerisches, Experimentelles, vielleicht sogar Anarchisches."
Gessler nennt Kermani "einen Brückenbauer" und "einen im besten Sinne public intellectual, der sich einmischt in die politische und gesellschaftliche Debatte. Man spürt bei ihm in jeder Zeile, dass er als Kosmopolit aus mindestens zwei reichen Kulturen, Philosophien und Religionen schöpft, der deutsch-iranischen sowie der christlich-muslimischen".
Kermanis neues Werk "Ungläubiges Staunen. Über das Christentum" ist bei C.H.Beck erschienen. Gessler schreibt dazu:
"Das Titelwortspiel kann nicht verhehlen, dass da jemand schreibt, der der Religion des Abendlandes mit viel Sympathie, ja stellenweise mit Liebe entgegentritt."
Martin Walser erhält Friedrich-Nietzsche-Preis
Die BERLINER ZEITUNG druckt ein Interview mit Martin Walser, der an diesem Sonnabend in Naumburg den erstmals verliehenen Internationalen Friedrich-Nietzsche-Preis entgegen nimmt. Der 88-jährige Schriftsteller wird für sein Lebenswerk geehrt, das die fortgesetzte Beschäftigung mit dem Philosophen einschließt.
"Nietzsche ist für mich der größte deutsche Schriftsteller",sagt Walser und "er ist der Schriftsteller, den ich am längsten und am häufigsten lese. Seine Ausdrucksweise, sein Stil, seine Sprache, seine Genauigkeit – da bin ich als Autor anspruchsvoll und empfindlich, und ich weiß, ich habe nirgends so viel Lesefreude wie bei Nietzsche. Lesen ist Ermutigung zum Denken",so Martin Walser. "Wenn man etwas liest, da nehmen Sie plötzlich teil an Gedanken, zu denen Sie allein nicht fähig wären. Sie merken aber, dass Sie als Leser zu diesen ungeheuren Gedanken fähig sind. Und das macht Ihnen Mut, so zu denken."
"Wie erleben Sie die Gesellschaft unter dem Zustrom von Flüchtlingen?", wird Walser von Christian Eger gefragt. Er antwortet:
"Was uns da passiert, das ist für mich eine Prüfung. Ich weiß auch, dass es keine Weltregierung gibt und dass der Himmel ziemlich leer ist, aber das alles hier wirkt so, als würde jetzt Europa geprüft auf seine Gültigkeit als humaner Kontinent."
Rückblick auf die Arbeitsmigration nach Deutschland
Mit "Das Ende einer Lebenslüge" überschreibt Joachim Güntner in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG seinen Artikel über eine Ausstellung, die vorher in Bonn gezeigt, jetzt bis Mitte April im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig zu sehen ist. Die Schau "Immer bunter – Einwanderungsland Deutschland" blickt zurück auf die Geschichte der Arbeitsmigration nach Deutschland, die 1955 mit italienischen Gastarbeitern begann. Als Botschaft der ausgestellten Objekte, Dokumente, Fotos, alten Zeitungs- und Medienberichten, den Interviews mit zurückschauenden Gastarbeitern nennt der Autor:
"Es hat sich viel getan. Die lange Zeit geltende, noch 1996 vom damaligen Innenminister bekräftigte Lebenslüge, Deutschland sei kein Einwanderungsland, gilt heute nicht mehr."
Die TAZ informiert über das Benefiz-Album "Kein Mensch ist illegal", an dem 36 Künstler der Pop-Szene beteiligt sind. Zweifel darüber, wie es um die Willkommenskultur in Deutschland in Zukunft tatsächlich bestellt ist, die Sorge, dass angesichts des rassistischen Mobs und des mancherorts ausbleibenden Widerstands dagegen die Gewalt anhälthaben die Musiker veranlasst, dieses solidarische Zeichen zu setzen. Es soll Geld einbringen, sagen die Künstler, zu denen Dirk von Lowtzow von Tocotronic oder der Ärzte-Sänger Farin gehören.
"Alle Einnahmen fließen an Pro Asyl und die Initiative 'Kein Mensch ist illegal'", und deswegen ihre Bitte, "das Album massenhaft zu kaufen".
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