Aus den Feuilletons

Kulturhauptstadt? Nein, danke!

Der Marktplatz in Halle an der Saale.
Der Marktplatz in Halle an der Saale. © imago/Steffen Schellhorn
Von Gregor Sander |
Eigentlich wollte sich Halle an der Saale um den Titel "Kulturhauptstadt Europas 2025" bewerben - doch der Stadtrat machte einen überraschenden Rückzieher. Begeistert fordert nun die "SZ" andere Städte auf, diesem Beispiel zu folgen.
"Er ist mal wieder da",
titelt die TAZ und spielt natürlich mit dem Bestsellertitel von Timur Vermes ('Wärrmäsch). Dort erwacht Adolf Hitler 2011 plötzlich wieder zum Leben. So schlimm kann es nicht werden, aber vielleicht wird es schlimm genug, wenn man Italienkorrespondent Michael Braun glauben darf:
"Spätestens im Frühjahr 2018 wird es in Italien Neuwahlen geben. Und dann führt mal wieder kein Weg vorbei an einem Mann, der sich anscheinend alles leisten kann: verfehlte Politik, Skandale, Mafiaverbindungen. Was ist es, das Italien nicht von Silvio Berlusconi loskommen lässt?"
Das wüsste man tatsächlich gerne mal. Aber leider erklärt der TAZ-Text diese italienische Lust am Berlusconiwählen nicht, konkretisiert allerdings die neuerlichen Comeback Pläne des Cavaliere:
"Matteo Renzi, Chef der gemäßigt linken Partito Democratico (PD) mit Hoffnungen, nach den nächsten Wahlen wieder Ministerpräsident zu werden, mag auf den Dialog mit Berlusconi einfach nicht verzichten. Angeblich geht es nur um das neue Wahlrecht für die nächsten Wahlen – doch im Gespräch ist mehr. Auch über eine Große Koalition zwischen PD und Forza Italia, zwischen Renzi und Berlusconi nach dem spätestens im Frühjahr 2018 anstehenden nächsten Urnengang wird in Rom mittlerweile ganz selbstverständlich diskutiert."

Schlechte Politik führt zu gutem Journalismus

Man stelle sich dann ein Treffen von Trump und Berlusconi auf offener politischer Bühne vor. Das Thema könnte von Bunga-Bunga-Parties direkt übergehen in den Locker-Room-Talk. Andererseits führt schlechte Politik offensichtlich zu gutem Journalismus. Das hat der "Digital News Report" des Reuters Institute an der britischen Oxford-Universität herausgefunden, der 70.000 Menschen in 36 Ländern befragt. Christian Meier von der Tageszeitung DIE WELT bilanziert:
"Der Report spricht gar von einem 'Trump bump'. Eine halbe Million neue digitale Kunden für die 'New York Times' im ersten halben Jahr nach der Wahl. Eine Viertelmillion beim 'New Yorker'. 200.000 beim 'Wall Street Journal'. Gleichzeitig eine Zunahme des Spendenaufkommens für Non-Profit-Projekte. Vor allem junge Leute und Bürger, die eher dem linken und linksliberalen politischen Spektrum zuzuordnen sind, seien in den USA bereit, mehr Geld für Journalismus auszugeben. In anderen Ländern gibt es diese Entwicklung laut dem Report bisher nicht."
Naja, vielleicht bald in Italien? Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ahnt auch warum die jungen Internetnutzer bereit sind Geld für Qualität auszugeben:
"Als Spotify- oder Netflix-Abonnenten erwarten sie nicht, dass alles im Internet kostenlos ist."
Und als solche können sie ab Freitag eine neue Serie schauen, die die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG mal wieder zu einer Almodóvarwitzvariante angespornt hat:
"Frauen am Rande des Nasenbeinbruchs"
schenkelklopft die Überschrift, aber darunter stellt Oliver Jungen sachlich fest:
"Mehr Asche als Glut: Die neue Netflix-Serie 'Glow' kreist lässig cool ums Frauenwrestling. Nur eine Geschichte erzählt sie nicht. Das Dekor hingegen stimmt bis zur letzten Föhnwelle."

"Hochgradig unterhaltsam"

In der SZ lautet die Überschrift zum Serienstart:
"Flachgelegt"
Kritikerin Meredith Haaf zeigt sich allerdings amüsiert:
"Wie schon in Orange Is the New Black erzählt ein weibliches Autorinnen- und Produzentinnenteam um Jenji Kohan hochgradig unterhaltsam von komplizierten Frauenfiguren, die in all ihrer ambivalenten Pracht zur Geltung kommen: etwa von Ruth Wilder, einer Schauspielerin mit großen Ambitionen, mittlerem Talent und null Glück."
Sein Glück versuchen wollte eigentlich Halle an der Saale. Doch der Stadtrat hat nun überraschend beschlossen, sich nicht um den Titel "Kulturhauptstadt Europas 2025" zu bewerben. Gerhard Matzig ist außer sich vor Freude und fordert in der SZ andere Städte auf, diesem Beispiel zu folgen, denn:
"Der Titel steht für Bürokratismus, Intransparenz und die Spesen von Event-Organisatoren, deren zum Fremdschämen bizarre Kultur-Ideen die städtische Kultur kaum grausamer karikieren könnten."