Aus den Feuilletons

Lauter Sex im Feuilleton

Von Klaus Pokatzky |
Hitzlspergers Outing hat die Feuilletons nachhaltig beschäftigt - ebenso die Affäre des französischen Präsidenten. Der Bundespräsident hingegen hat bei der Verabschiedung des Verlegers Michael Krüger vom Hanser Verlag in den Ruhestand überzeugt, was man von der Situation in den Kitas und Schulen des Landes nicht sagen kann.
"Schwul war ein Schimpfwort,"erfuhren wir aus der Tageszeitung TAZ, "bis die Schwulenbewegung der 70er es positiv belegte," schrieb Malte Göbel.
"Das ist nur teilweise geglückt, auf dem Schulhof und im Fußballstadion gilt es immer noch als Schimpfwort und gleichbedeutend mit 'schwach'."
Gar stark war das Schwulenthema in dieser Woche in den Feuilletons vertreten.
Lauter Sex im Feuilleton
"Im 17. Jahrhundert wurde das norddeutsche swul, verwandt mit schwelen, ins Hochdeutsche übernommen," klärte uns die BERLINER ZEITUNG auf. "Schwulität für Schwierigkeiten geht als Ableitung auf einen studentischen Scherz im 18. Jahrhundert zurück," schrieb Falko Henning – lauter Sex im Feuilleton. Ein Fußballer hat dafür gesorgt.
"Die Medienstrategie von Thomas Hitzlsperger zeigt, wie heutzutage versucht wird, die Veröffentlichungen zu lenken, meinte René Martens in der TAZ. "Allen voran Sportler und große Klubs sind längst selbst zu Berichterstattern geworden."
Sie agieren mit Spezialisten, im Falle Hitzlspergers war das eine Kölner Medienberatungsfirma. "Über sein großes Interview mit der Zeit und seine Videobotschaft hinaus äußerte sich Hitzlsperger bisher nur gegenüber wenigen Medien."Nämlich gegenüber BILD, dem Fußballmagazin 11 Freunde, Faz.net und dem ZDF. Und in Großbritannien, wo er einst gekickt hatte, zum Guardian und der BBC – aber kein Dauergast in sämtlichen Talkshows, kein unentwegter Stichwortgeber für alle Medien: So medienschlau können schwule Fußballer sein.
"Was erregt Männer, die nicht auf Männer stehen, so wahnsinnig an dieser Nachricht?," wunderte sich die Wochenzeitung DIE ZEIT. "Ich fand es immer nett, dass Männer beim Fußball so unverstellt ihre Begeisterung für Männer zeigen," outete sich Susanne Mayer. "Auf dem Platz das absichtsvolle Gerempel, dieses lustiges Gezerre an der Wäsche, das haltlose Aufeinanderzustürmen und Umarmen, Wuscheln von Haaren, das wilde Bespringen mit gespreizten Beinen."
Ein Präsident auf dem Motorroller
Vergessen wir die Heteros nicht. Die sind wirklich komisch. Die müssen es ganz heimlich treiben. So heimlich wie die Schwulen in Russland.
"Erst hieß es, François Hollande, der französische Präsident, habe nachts auf äußerst glamouröse Weise, nämlich auf einem Motorrad, den Elyséepalast verlassen, um zum Apartment seiner Geliebten Julie Gayet zu brettern," stand in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.
"Dann aber kam heraus, dass 'Moto' falsch übersetzt worden war und es sich bei dem Gefährt bloß um einen dreirädrigen Motorroller handelte, auf dem zwei Herren saßen, mit Helmen, die ihnen das Aussehen dickköpfiger Außerirdischer verliehen – und der ohnehin als Zauderer verschriene Hollande soll nicht der Lenker, sondern der passiv klammernde Sozius sein," schrieb Niklas Maak.
"Der Schlüssellochblick findet bei Franzosen mehr Interesse als früher," befand die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. "In einem Präsidialsystem gibt es keine Trennung von privat und öffentlich," meint Nils Minkmar in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG. "Es stammt mehr oder weniger direkt vom Absolutismus ab und teilt mit diesem das Merkmal, dass der Zustand des Haushalts der Regierenden von den Regierten immer als ein besonderes Zeichen ihrer Zeit gedeutet wird."
Da loben wir uns unseren Präsidenten. "Der Bundespräsident feiert eine Party im Schloss Bellevue und verabschiedet den Hanser-Verleger Michael Krüger in den Ruhestand," berichtet die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG. "Es war ein prächtiger, schöner, würdevoller Abend," befindet Volker Weidermann; samt Bundesverdienstkreuz erster Klasse für den Verleger: "Einen Abend lang waren sich alle einig, dass Deutschland ein glückliches Kultur-, Literatur- und Bücherland ist."
Solange wir solche Verleger wie Michael Krüger haben. "Tatsächlich würdigte man ihn im Feuilleton in einer Weise, die manch großen Politiker neidisch machen könnte," lasen wir in der TAZ. "Michael Krüger hat ein gewinnendes Wesen, wahrscheinlich sind mehr als die Hälfte aller deutschsprachigen Autorinnen und Autoren, die über 50 Jahre alt sind, mit ihm befreundet," schrieb Jörg Sundermeier.
Kinder, Kinder
Und wie ist es in unserem glücklichen Land mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bestellt, wenn der Beruf die Literatur ist? "Ohne Kindergarten und Hort könnte ich meinem Beruf nicht nachgehen," antwortete die Schriftstellerin Terézia Moraauf eine Umfrage der WELT, wie Literaten Familie und Beruf, Kind und Karriere miteinander klarkriegen. "Weniger Selbstbezogenheit, mehr Gemeinschaftsgefühl – für Schriftsteller eine hervorragende Übung," fand Verena Rossbacher das Literatenleben mit Kindern.
"Darf man Kinder fragen, wie es in der Schule war?," war Thema für den Knigge in der TAZ. "Es handelt sich um eine Frage, die vergleichbar mit der alltäglichen 'Wie geht's'-Floskel ist," befand die kluge Paulina Unfried, 15 Jahre alt. "Als Tipp: Originellere Fragen bekommen auch ehrlichere Antworten."
Die stellt gewiss die Literatin Verena Rossbacher, denn die weiß, was Kinder so alles bedeuten: "heitere Zuversicht, Spaß am Alltag, Gelassenheit, das Wissen darum, wie reich beschenkt man ist."
Es gibt also doch noch ganz normale Heterosexuelle.