Lindgrens Kriegstagebücher begeistern Kritiker
Sie schenkte uns das stärkste Mädchen der Welt, das sogar den "schdarken Adolf" K. o. schlug. Jetzt sind Astrid Lindgrens Kriegstagebücher erschienen - und die "Welt" ist schwer begeistert.
"Schade, dass niemand Adolf Hitler erschießt" - schreibt eine kleine schwedische Sekretärin im Oktober 1939 in ihr Tagebuch. Sechs Jahre später wird sie uns ein rothaariges Mädchen schenken, und Pippi haut den "schdarken Adolf", den "schdärksten Mann der Welt" in einem Zirkus mit leichter Hand K.O.
Astrid Lindgrens Kriegstagebücher sind erschienen. Als sie ihre Aufzeichnungen begann, war sie 31 Jahre alt und "eine literarisch dilettierende Sekretärin im Königlichen Automobilclub, als sie sie beendete, war sie preisgekrönt und Lektorin im Verlag Raben & Sjögren".
Für die WELT sind Lindgrens Tagebücher eine "atemberaubende Lektüre", auch deshalb, weil hier, anders als bei den Manns, Jüngers oder Walsers, wirklich eine private Chronistin schrieb und keine gestandene Autorin mit Blick auf den späteren Leser.
Die aus der Versenkung geholten Tagebücher Lindgrens kann also jetzt jeder lesen, den lang verschollen geglaubten Reisepass von Franz Kafka aber kann nur einer kriegen: Er wird in New York versteigert, das lesen wir in der FAZ. 1923 meldete sich der Versicherungsbeamte "Dr. F. Kafka Frantisek" aus Prag in Berlin Steglitz an, der Stempel im Pass vermerkt in perfektem Amtsdeutsch:
"Ein Recht zum Aufenthalt wird durch diese Meldung nicht erworben".
Ein Satz, den man in diesen Tagen mit Nachklang liest – in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG findet sich übrigens der tägliche Essay zur Zuwanderung, Michael Bremer hofft halb skeptisch, halb optimistisch, dass gerade durch die vielen muslimischen Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, eine "Annäherung zwischen Juden und Muslimen gelingen könnte."
Überregionale Begeisterung nach Opernpremiere in Hamburg
Geografisch weiträumig titeln die Feuilletons Hamburgs vielbeachtete erste Opernpremiere unter dem neuen Generalmusikdirektor Kent Nagano:
"Über Kleinasien tropft das Kunstblut" – die WELT.
"Italien als Schicksal" – der TAGESSPIEGEL.
"Auf der Flucht von Troja über Karthago nach Rom" – die SÜDDEUTSCHE.
Ein "feingeschliffenes, filigranes Orchester, … aber keine krachende Kraftentfaltung", so freut sich SPIEGEL-ONLINE über die musikalische Seite der Aufführung von Berlioz' Riesenoper Les Troyens (Die Trojaner ), die SÜDDEUTSCHE vermeldet kleine Stressrumpeleien zu Beginn, die aber "den guten Gesamteindruck nicht schmälern" konnten und meint, Hamburgs neuer Opernchef Nagano habe Berlioz' Selbstdisziplinierung überzeugend verinnerlicht:
"Man muss versuchen, die brennenden Dinge kühl auszuführen."
Die Inszenierung von Michael Thalheimer kommt dagegen nicht gut weg: zu statisch, ein "Konzert im Kostüm" sieht der TAGESSPIEGEL, "flache, unbeholfene Personenführung" die SÜDDEUTSCHE und der WELT fehlt in einer allerdings ziemlichen Krachbumm-Rezension schlicht das Trojanische Pferd und der Scheiterhaufen für Dido.
Fazit der Feuilletons zu dieser mit Spannung erwarteten Opernpremiere in Hamburg: ein musikalisch eindrucksvoller, wenn auch nicht rundum begeisternder Neubeginn mit szenisch viel Luft nach oben…
Ein Meerschweinchen obendrauf
Hüpfen wir noch ganz kurz zur FRANKFURTER ALLGEMEINEN, wo Eleonore Büning die Premiere von Helmut Lachenmanns Oper "Das Mädchen mit den Schwefelhölzern" in Frankfurt rezensiert. Und sich partout nicht gewöhnen kann und gewöhnen will an das Meerschweinchen, das diese Aufführung garniert. Ohne einen die FAZ überzeugenden szenischen Grund tippelt das offenbar leicht sedierte Viech über die Bretter, macht Pfützchen, wie Meerschweinchen halt Pfützchen machen, wurde offenbar nach "§11 des TierSchG absolut artgerecht betreut" und "sei auch, keine Sorge, an die Musik von Lachenmann rechtzeitig gewöhnt worden."
Bloß, so fragt sich die FAZ und liefert damit zugleich die schönste Überschrift des Tages:
"Und wer gewöhnt die Musik an das Schwein?"