Mächtige D-Mark und nackte Frauen
Während die "FAZ" über den Erfolg der AfD in Sachsen rätselt und dabei Ost- und Westdeutschland in einen Topf wirft, sinniert die "Süddeutsche" über die von Computernerds gehackten Nacktbilder von Hollywoodschönheiten.
"Es gibt die Sehnsucht nach einem richtig deutschen Deutschland, erfolgreich und gemütlich, geachtet in der Welt, aber auch fern von ihr, überstrahlt von ihrem glänzenden Symbol: der D-Mark", heißt es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, und obwohl der Befund nicht falsch ist, wird man bei dem aufgesetzt spöttischen Ton hellhörig. Worauf möchte der Autor Günter Hack hinaus? Er versucht, den Wahlerfolg der AfD zu ergründen und kommt dabei auf ein Gegenstück zur Ostalgie, die den Bürgern der ehemaligen DDR vorbehalten war und ist. Für Hack ist also die in der D-Mark verkörperte Wirtschaftskraft der alten Bundesrepublik eine ähnliche, bloß anders gepolte Chimäre, an die man sich einzig aus politischer Sentimentalität erinnert.
Überhaupt scheint es für den Autor und offenbar auch für die Feuilletonredaktion der FAZ, die den inneren Kompaß dieser Zeitung völlig verloren zu haben scheint, zwischen Ost- und Westdeutschland kaum einen Unterschied zu geben.
"Wie die Stasi funktioniert hat, wissen wir jetzt, es ist sogar erste Bürgerpflicht, es zu wissen. Aber: Wie funktionieren BND, Verfassungsschutz und MAD?" steht da allen Ernstes. Wenn man durch eine solche Brille schaut, ist natürlich alles, was an unserem Staat noch funktioniert, suspekt und obsolet. Und tatsächlich frohlockt Hack, daß es den Anhängern und Repräsentanten dieser alten Ordnung, also den mutmaßlichen AfD-Wählern, in jener Welt, für die sich offenbar die FAZ fit macht, gewaltig an den Kragen geht.
"Die harten Rationalisierungsschübe durch Globalisierung und den Vorstoß internetbasierter Dienste trafen weite Teile der Mittelschicht und werden sie weiter erschüttern und sie erodieren lassen. Kein Wunder, dass diese Gruppen sich gern an vermeintlich bessere Zeiten erinnern, D-Mark und Prä-Schengen-Grenzkontrollen wollen und eine Lebenswelt, in der die gewohnten Autoritäten den Ton angeben."
"Vermeintlich bessere Zeiten" – das ist das Rubrum, unter dem die FAZ jetzt die striktere Befolgung geltenden Rechts als durch heutige Regierungen einordnet.
Nacktbilder einer Schauspielerin
Der üble Streich irgendwelcher Hacker, die private Nacktbilder von Hollywood-Schönheiten aus deren Online-Speichern geraubt und ins öffentliche Netz gestellt haben, ist für Kia Vahland von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Anlass zu einer kunstgeschichtlichen Erörterung des männlichen Blicks:
"Die Idee, eine Frau gegen ihren Willen öffentlich bloßzustellen, ist so alt wie unsere Kultur. Immer wieder malten die alten Meister des Abendlandes das Schicksal der biblischen Susanna im Bade, der zwei alte, betuchte Herren gierigen Blicks auf den Leib rücken."
Wer immer diese Gemälde betrachtet oder gar besitzt, folgert die Autorin, macht sich mit den alten, betuchten Herren auch ein bisschen gemein. Allerdings stehen die intimen Fotos der vielen nun entblößten Stars eigentlich in einer anderen Tradition, und zwar der Selbstermächtigung der modernen Künstlerinnen, für die Kia Vahland vier Beispiele nennt: Paula Modersohn-Becker, die erste Malerin, die ihren ganzen Körper als Akt malte, die Fotografinnen Marianne Breslauer und Lee Miller sowie Maria Lassnig.
Für die FAZ fällt der aktuelle Bilderklau übrigens – wen wundert's? – in die Rubrik "Tücken moderner Technologien".
Anne Sophie Mutter in Massachusetts
Nachdem der Festspielsommer in Deutschland nun vorbei ist, bringt die WELT einen detailreichen und stimmungsvollen Bericht vom größten Klassikfestival in den Vereinigten Staaten, dem 1937 ins Leben gerufenen Tangelewood-Festival in Lenox, Massachusetts.
"Die großen Stars sind gern hier, auch Anne Sophie Mutter sitzt am Tag nach ihrem leichtfließenden Dvorák-Violinkonzert mit ihrem Ex-Mann André Previn unter den Nachmittagsgästen",
berichtet Manuel Brug, der dem Generalmanager des Boston Symphony Orchestra und Tanglewood-Chef Mark Volpe offenbar eine Weile über die Schulter schauen durfte:
"Hier in Tanglewood beschäftigt er weit über 1.000 Angestellte; Gärtner, Servicemitarbeiter, Cateringkräfte kommen zu den Musikern samt Verwaltung. Dazu gibt es ein in Amerika übliches Heer von Freiwilligen, die auf dem Gelände helfen (...) Anders wäre es auch kaum möglich, daß sich hier zu Spitzenveranstaltungen bis zu 15.000 Menschen tummeln."
Ein Artikel, der der WELT und ihrem Namen Ehre macht, denn gerade die Festspielberichterstattung bei uns wird immer provinzieller.