Mehr Sex mit Robotern
Die "FAZ" behauptet mit Futurist Ian Pearson, dass wir im Jahr 2050 mehr Sex mit Robotern als mit Menschen haben werden. Vielleicht erledigten sich so auch viele der Identitätsfragen, von denen Deutschland gerade geschüttelt werde, so die Autorin unserer Presseschau.
"Was kann die Kultur zum Kampf um die Freiheit beitragen?", wird der algerische Autor Kamel Daoud in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG am Freitag gefragt. Daoud ist Gast der Ruhrtriennale. Anlass ist die Uraufführung des Stückes "Die Fremden" nach Daouds Buch "Der Fall Meursault – Eine Gegendarstellung". Ein Fortschreiben von Camus "Der Fremde".
"Der Kampf um die Kultur ist nicht irgendein Nebenscharmützel", antwortet Daoud, "er ist die zentrale Schlacht." Und aus der Erfahrung seines Lebens setzt er hinzu:
"Als Erstes zerstört der IS die Kulturgüter, nicht die Kasernen. Sie brauchen die Wüste, um ihr Regime aufziehen zu können. Wenn sie die Kultur zerstört haben, dann haben sie gewonnen, dann können sie machen, was sie wollen."
Am Wochenende wurde die Geschichte des ermordeten Arabers nach Camus und Daoud in der Inszenierung von Johan Simons in Maar uraufgeführt. Ein Abend, so stellte die Kritikerin des Deutschlandradios fest, der viele Fragen stellt und viel zu denken gibt über die Facetten des Fremdseins.
Das Fremde, das Eigene, die Identität, diese aus vielen Blickwinkeln betrachteten Begriffe kommen in den Feuilletons der vergangenen Woche mehrfach zur Sprache. Gleich am Wochenanfang geht ein Aufschrei durch die Presse: Beim Musikfestival "Schubertiade" im Bregenzerwald in Österreich wurde der englische Tenor Ian Bostridge aus dem Publikum mit dem Ruf "Deutsch lernen" angepöbelt.
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG berichtet Patrick Bahners vom Vorfall und übt Kritik wie Selbstkritik, indem er schreibt:
"Niemand von uns steht auf und sagt zu dem Mann: Verlassen Sie den Saal! Niemand entschuldigt sich bei den Künstlern. Vielleicht meint jeder, ein anderer werde etwas tun, weil wir die Sache alle genauso sehen."
Rassistischer Zwischenruf beim Musikfestival?
Am Wochenende nun kommt der britische Sänger in der WELT selbst zu Wort. Der erinnert sich daran, wie er den Störenfried auf die Bühne geholt und ihn dort, den Buhrufen des Publikums ausgesetzt, allein gelassen habe. Wörtlich sagt er:
"Später habe ich mich leicht schuldig gefühlt, der war wahrscheinlich einfach ein bisschen verrückt."
Als nationalistisch oder rassistisch habe er den Zwischenruf nicht empfunden, fügt er verzeihend hinzu. Ob er nicht wütend auf das schweigende Publikum gewesen sei?, wird Bostridge gefragt. Auch hier die gütige Antwort: "Wir waren einfach alle erst mal fassungslos." Den schließlich einsetzenden Applaus aber habe er nach kurzer Irritation als ihn unterstützend wahrgenommen.
Die deutsche Sprache, die vom englischen Tenor eingefordert wurde, war Thema im Feuilleton am Dienstag. Die WELT erinnert an Luthers epochale Leistung und fragt dennoch etwas irritiert:
"Hat Luthers Deutsch etwa einen Bart?"
Im Gespräch mit Karl-Heinz Göttert kommt heraus, dass das Lutherische Deutsch längst nicht mehr jedem verständlich ist. Der Sprachhistoriker – gerade hat er in einem Luther-Lesebuch Texte neu zugänglich gemacht, also frisch übersetzt – gibt dafür Beispiele und erklärt:
"Wenn Sie lesen, dass eine Person mit zwei 'Schnüren' unterwegs ist, und Sie nicht wissen, dass Schnüre Schwiegertöchter sind, hängen Sie fest."
Bei einem anderen Beispiel verweist er auf die Verwendung des Wortes "Unrat" in der Matthäuspassion, das man heute nicht mehr in der Bedeutung von "Verschwendung" kennt. Göttert konstatiert:
"Luther hat für die Entstehung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache unendlich viel getan, aber danach ist eben auch noch unendlich viel passiert. Das Deutsche war noch nicht fertig."
Merkel: "Deutschland wird Deutschland bleiben"
Am gründlichsten beschäftigt sich Mark Siemons in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG an diesem Sonntag mit dem Bezugssystem Deutsch. Er fasst zusammen, was der Kanzlerinnen-Satz auslöste: "Deutschland wird Deutschland bleiben", den sie im Interview mit der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG aussprach.
"Welche Neuigkeit in dem Satz steckt", denkt Siemons nach, "erschließt sich erst, wenn man auf die nicht minder rätselhafte Vermutung blickt, auf die er reagiert: dass Deutschland nicht mehr Deutschland sei oder bleiben werde."
Eine, wie er angibt offenbar "weit verbreitete Vermutung." Der Autor stellt die Frage:
"Was aber ist mit diesem Gebilde genau gemeint, von dem die einen sagen, es verschwinde, und die anderen, es werde bleiben? Die Identitätsfrage scheint wieder präsent zu sein."
Siemons sucht nach Antworten und stellt fest:
"Die Pointe sowohl bei Merkel als auch bei Innenminister de Maizière, der ebenfalls über eine unsicher gewordene nationale Identität sprach, ist, dass beide den Deutschen abverlangen zu benennen, was sie eigentlich ausmache, dazu aber selber nicht recht in der Lage sind. Es seien nicht allein die Flüchtlingskrise und die Bedrohung durch den Terrorismus, der die Leute heute verunsichere, sagt de Maizière, sondern etwas anderes. Wir wissen nicht mehr genau, wer wir sind und wer wir sein wollen. Was uns als Deutsche ausmacht."
Eine gewisse Hilflosigkeit sei der Grund für mangelnde Widerstandsfähigkeit beim Umgang mit diesem Thema, so der Minister. Der Autor in der FAS resümiert, "das Reden von Identitäten sei diskreditiert. Es scheint ein Begriff zu sein, der die Absichten derer, die ihn benutzen, eher verschleiert, als dass er sie zu erkennen gibt."
Einen Ausweg aus diesem Dilemma findet er bei Zygmunt Baumann. Der Soziologe formuliert:
"Die Moderne begreift Identität als Projekt."
Dem scheinen Herfried und Marina Münkler zustimmen zu können, denn in ihrem Buch "Die neuen Deutschen" "möchten sie das Deutschsein verstehen als eine normativ angereicherte Identitätsbeschreibung, die Anforderungen enthält, denen man sich stellen muss und zwar sowohl die Neuankömmlinge als auch die Alteingesessenen."
Überrascht wurde ich von einer Aussage in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Dort zitiert Adrian Lobe, nachdem er sich über neue Computertechnologien ausgelassen hat, den Futuristen Ian Pearson, "der behauptet, dass wir im Jahr 2050 mehr Sex mit Robotern als mit Menschen haben werden." Wird sich etwa so die Identitätsfrage erledigen?