Meinungsfreiheit in polarisierter Öffentlichkeit
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Das Thema Meinungsfreiheit ist von den Titelseiten vieler Wochenblätter in die Feuilletons gewandert. Die "NZZ" macht eine "Kultur des Regenbogens" für die Einengung des Sagbaren verantwortlich und die "SZ" warnt vor einer "Cancel Culture".
"Deutsche Universitäten unter der Meinungsdiktatur des Regenbogens tragen zur Polarisierung der Öffentlichkeit bei", heißt es in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Der Historiker Andreas Rödder erklärt, die "Kultur des Regenbogens"- kein fest eingeführter Begriff übrigens - orientiere sich an den "Leitvorstellungen von Diversität, Antidiskriminierung, Inklusion und Gleichstellung". Dagegen hat Rödder nichts. Nur sei die Idee schädlich, "wenn sie zur Ideologie wird".
"Im Fall des Regenbogens", so Rödder, "geht diese Ideologisierung davon aus, dass Benachteiligung zur Legitimation für politische Forderungen nach Ausgleich, Bevorzugung oder Schutz wird – und der Opferstatus mithin zum scharfen Instrument. Auf diese Weise lässt sich sogar offensiv damit argumentieren, der argumentativen Auseinandersetzung nicht gewachsen zu sein. So hat es der FDP-Vorsitzende Christian Lindner erlebt: Als er während eines Vortrags von Demonstranten gestört wurde, gab er den Störern Gelegenheit zu reden. Die aber lehnten ab, weil sie sich Lindner unterlegen fühlten."
Auch abweichende Meinungen ertragen
Bekanntlich ist der Fall nicht singulär. In Göttingen verhinderten Demonstranten eine Lesung des früheren Bundesinnenministers Thomas de Mazière, an der Uni Hamburg brüllten linke Aktivisten den AfD-Gründer Bernd Lucke nieder. Dass so etwas an Universitäten vorkommt, nervt Andreas Rödder sehr:
"Die Institutionen werden damit Partei in einer zunehmenden Polarisierung der Öffentlichkeit. Konformisiert gegenüber dem herrschenden Zeitgeist, entwickeln sie sich zur Bühne, wenn nicht gar zum Gehilfen einer repressiven Einengung des öffentlich Sagbaren. Dies widerspricht ihrem Legitimationsgrund der intellektuellen Autonomie. Es widerspricht dem wissenschaftlichen Grundprinzip der permanenten Bereitschaft, Gewissheiten infrage zu stellen. Und es widerspricht der demokratischen Voraussetzung, die Meinung des anderen – solange sie die Grundsätze einer freiheitlich-demokratischen Ordnung nicht verletzt – zu ertragen, auch wenn sie mir nicht passt."
Ist die Goldene Kartoffel für TV-Talkshows gerechtfertigt?
Ob Andreas Rödder in der NZZ eine akute Gefahr anspricht oder einen Popanz aufbaut, lassen wir offen und nehmen die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG zur Hand. Carolin Gasteiger denkt darüber nach, ob der Negativpreis "Goldene Kartoffel" für die Talkshow-Moderatoren Frank Plasberg, Sandra Maischberger Maybritt Illner und Anne Will gerechtfertigt sei. Viele Kritikpunkte am Dauer-Talk findet Gasteiger okay, doch sie mahnt:
"Wer durch Talkshows die Demokratie gefährdet sieht und sie verbieten oder ihnen, wie der Deutsche Kulturrat 2018, eine Auszeit verordnen will, geht holzschnittartig zu Werk. Nach dem Motto des in den USA als 'Cancel Culture' bekannten Phänomens: Wer oder was einem nicht passt, muss verschwinden. Es spielt jenen in die Karten, die sich gern als vom Diskurs ausgeschlossen bezeichnen. Zu einer funktionierenden Zivilgesellschaft gehören auch Talkshows." Carolin Gasteiger in der SZ.
Antidemokratische Denkfiguren im links-grünen Milieu
"Macht muss man immer kritisieren", titelt unterdessen die Tageszeitung DIE WELT. Tilmann Krause zeigt anhand der Geschichte des Begriffs "juste Milieu"- er steht für die jeweils tonangebende Gesellschaftsschicht –, wie "die Kritik an den Etablierten" von links nach rechts gewandert ist. Laut Krause hat der Historiker Arnulf Baring 1986 in dem Buch "Unser neuer Größenwahn" erstmals systematisch antidemokratische Denkfiguren und Untergangsängste im links-grünen Milieu nachgewiesen. Krause stellt die "Friday for Future"-Aktivisten in eben diese Tradition und zitiert Barings Diktum:
"'Zumal junge Deutsche sind für Vorhersagen einer Apokalypse besonders anfällig. Man denkt bei uns gern in Alternativen von absolutem Heil oder unabsehbarer Katastrophe, von verheißungsvoller Wende oder schrecklichem Ende, mahnt schrill zur Umkehr oder sagt kalt den Untergang voraus.'"
Dass Alice Weidel kürzlich einen Mann aus einer AfD-Veranstaltung werfen ließ, der eine "Kopf-ab-Geste" gemacht haben soll, erklärt Friedrich Küppersbusch in der TAGESZEITUNG mit einem Irrtum. Tatsächlich sei der Mann laut SCHWÄBISCHER ZEITUNG "ein AfD-Sympathisant mit fuchtelndem Hustenanfall gewesen".
Das mag sein oder nicht. Wir jedenfalls schließen für heute mit der SZ-Überschrift: "Lasst uns weiterreden."