Mit Geschichten das Klima retten
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Will man das Klima retten, muss man Menschen überzeugen, und dies kann man am besten mit gut formulierten Geschichten. Dieser Meinung ist man in Schweden, wie wir in der „Süddeutschen“ lesen. Dort gibt es nun einen hauptamtlichen Geschichtenerzähler.
Erzähl keine Geschichten! In Zeiten von Fake News und Onlineblasen ein wichtiger Ausruf. Wir brauchen Nachrichten, Recherche, keine Geschichtenerzähler. Oder? Aus Schweden kommen andere Nachrichten. Und Schweden ist immerhin Schweden – auch wenn die Schweden-Story sich verändert hat: nicht mehr das Land der Elche und Billys, sondern die Heimat von Greta – wer denkt da noch an Garbo – und von der ganz kleinen Skandalküche für die ganz großen Geschichtenerzähler, dem Literaturnobelpreis.
Nun hat Schweden eins (Greta) und eins (große Geschichtenerzähler) zusammengezählt und ist ab sofort das erste Land, das einen hauptamtlichen Geschichtenerzähler hat. Nein, das ist keine Geschichte, das ist eine Meldung in der SÜDDEUTSCHEN. Er heißt Per Grankvist und soll sich "Geschichten ausdenken, die Leute dazu bringen, sich für das Allgemeinwohl einzusetzen". Also echte schwedische Greta-Geschichten.
Schwedische Städte sollen bis 2030 klimaneutral werden
Ziel ist laut Stelleninhaber Grankvist: Städte "sollen so umgestaltet werden, dass sie bis 2030 klimaneutral sind". Und wo Madrid – aber das ist halt Spanien, nicht Schweden – gerade bewiesen hat, dass Regierungen zu so etwas nichts beizutragen haben, ist das mit den Geschichten allemal einen Versuch wert, zumal Grankvist konstatiert:
"Die ökonomische Theorie fantasiert sich den Menschen immer als grundvernünftiges Wesen zusammen, das ausschließlich rationale Entscheidungen trifft. Kein echter Mensch funktioniert so. Wir sind konfuse, statusfixierte Affen. Die Menschen fanden Geschichten immer schon spannender als Fakten. Der eindrücklichste Beweis für diese These ist, dass Donald Trump 2016 die amerikanischen Präsidentschaftswahlen gewonnen hat."
Halleluja.
Ist Boris Johnson ein "Regenmacher-Premierminister"?
Nicht, dass Sie sich jetzt wundern: Das ist heute offenbar eine Mischung aus Siegesgejaul und Glückwunsch, mit dem richtig konservative Konservative sich gegenseitig feiern. "Lieber Boris, halleluja!", zitiert Gina Thomas in der FAZ den konservativen Historiker Andrew Roberts, der Geschichten aus der Zukunft erzählt und Boris Johnson schon zum "folgenreichsten Premier" seit Margaret Thatcher erklärt.
Johnson sei das, "was wir Historiker einen 'Regenmacher-Premierminister' nennen, einer aus einer Handvoll, die bleibenden Wandel in Gang setzen". Ist Regen wirklich das, was sie in Großbritannien jetzt brauchen? Egal. Halleluja!
Die Geschichten der Nationalisten
Und noch ein Halleluja für den Regen-Boris: In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG erzählt Harvard-Professor Niall Ferguson, dessen "Sunday Times"-Kolumne die Schweizer montags aus unerfindlichen Gründen immer übersetzen:
"Den letzten Donnerstagabend verbrachte ich in einem mit überzeugten Konservativen überfüllten Londoner Restaurant. Es kursierten wilde Gerüchte. Boris Johnson werde wohl seinen Sitz verlieren, was eine hastige Beförderung ins Oberhaus notwendig machen werde. Noch weitere zehn Minuten Spannung, und ich bin sicher, ich hätte gehört, dass die Queen aus dem Land geflohen sei. Gegen 22 Uhr hielten wir alle den Atem an. Und . . . puh! Nein, nicht bloss puh, sondern halleluja!"
Woraufhin Ferguson dem Nationalismus das Hosianna singt und "die Totenglocke für den erwachten Sozialismus in aller Welt" läutet. Halleluja halt.
Harvard-Kollege Cass Sunstein vom Jura-Department wird vom TAGESSPIEGEL nach Donald Trumps Stärken gefragt. Antwort: "Er strahlt Sicherheit aus. Seine Rhetorik ist aggressiv, anklagend, verurteilend. Wenn er über seine eigene Regierung spricht, dann selbstbewusst, stolz, feierlich." So wie sie halt ihre Geschichten erzählen, die Nationalisten.
Auch die Queen braucht einen Geschichtenerzähler
Übrigens, die Queen ist tatsächlich in London geblieben. Jetzt sucht sie, weil sie auch mal die eine oder andere Geschichte erzählen will, einen oder eine "Head of Digital Engagement" innerhalb der Abteilung "Royal Communications", was die TAZ zwar nicht als erste meldet, dafür aber mit Peter Weissenburgers Tipp versehen:
"Zu empfehlen wäre Ihrer Majestät vermutlich Instagram, eher als Twitter. Denn traditionell hat sie ja eher etwas zu zeigen, als etwas zu sagen. Die neue Angestellte im Buckingham Palace soll 'ein weltweites Publikum ansprechen' und dafür sorgen, dass der königliche Haushalt ein breites Spektrum von Kommunikationskanälen effektiv nutzt" – also Geschichten erzählen. Von der Queen! Halleluja! Auf!
"Die Ausschreibung ist noch offen bis Heiligabend."