Aus den Feuilletons

Mondtags "Erbe" an den Münchner Kammerspielen

Der Regisseur Ersan Mondtag
Der Regisseur Ersan Mondtag © dpa/ picture alliance/ Sören Stache
Von Adelheid Wedel |
Das Vergessen greift manchmal im Alltag zu – dagegen wendet sich künstlerisches Schaffen, zum Beispiel Regisseur Ersan Mondtag mit seiner neuesten Arbeit "Das Erbe" für die Münchner Kammerspiele. Gespielt wird Outer Space - im Weltraum.
"Wenn das Erinnern gefährlich wird ..."
Diese Überlegung stellt Carsten Otte an den Beginn seiner ganzseitigen Rezension zu Christoph Heins Roman "Trutz" in der Tageszeitung TAZ. Und er
"nennt Heins Jahrhundertroman ein literarisches Bollwerk wider das historische Vergessen."
Das Vergessen greift manchmal schon im Alltag zu – auch dagegen wendet sich künstlerisches Schaffen, zum Beispiel Regisseur Ersan Mondtag mit seiner neuesten Arbeit "Das Erbe" für die Münchner Kammerspiele. Daniele Muscionico schreibt darüber in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG:
"In der 'Assoziation über den NSU' imaginiert er eine Gesellschaft der Zukunft, völlig losgelöst in einem Raumschiff, ... Wer besitzt die Deutungshoheit über die Vergangenheit? Debattiert wird dies im Outer Space. Rechtsradikalismus im Weltraum. Muss das sein,"
fragt die Autorin. Und antwortet:
"Im Luftleeren agiert in Mondtags klugen Settings keiner. ... Der Regisseur will seinem Publikum eine Haltung abringen, das ist die Hauptsache. Man lobt Mondtags Fundamentalprovokationen,"
und so wird auch das neue Stück eingeordnet,
"denn er legt die steile These vor: Am Ende geht es dem jungen Rechtsstaat wie dem alten Ödipus, der sich vornimmt, den Mörder seines Vaters zu suchen – doch das ist er selber."

Hat sich Schulz vergaloppiert?

Noch 88 Tage bis zur Bundestagswahl, daran erinnern uns DIE WELT und Henryk Broder mit seiner Kolumne zur Rede von Martin Schulz auf dem Parteitag in Dortmund. Darin hatte der Kanzlerkandidat der SPD der Kanzlerin
"Missachtung der Demokratie" vorgeworfen, "indem sie versuche, die Wähler einzulullen und sich dem Wahlkampf zu entziehen. So würden Merkel und die Union bewusst ein Absinken der Wahlbeteiligung in Kauf nehmen."
Broder zitiert Schulz:
"In Berliner Kreisen nennt man das asymmetrische Demobilisierung. Ich nenne das einen Anschlag auf die Demokratie."
Ist da was dran, fragt Broder, oder hat sich Schulz nur vergaloppiert? Jedenfalls kontert der Autor:
"Was immer asymmetrische Mobilisierung bedeuten mag, der Kanzlerin vorzuwerfen, sie strebe im eigenen Interesse eine niedrige Wahlbeteiligung an, ist einfach gaga. Wollte man Merkel einen Anschlag auf die Demokratie vorwerfen, gäbe es dafür andere Anlässe."
In diesem Fall habe Schulz kräftig daneben gehauen.
"Genau genommen," so argumentiert Broder,
"war das schon Hate Speech, also etwas, worum sich Gabriels Parteifreund, Heiko Maas, von Amts wegen kümmert. Der sollte Schulz jetzt eine Rüge erteilen. Damit unsere Demokratie keinen Schaden erleidet" – so Broders Ratschlag in der WELT.

Demokratie im Handgemenge

Und da wir beim Stichwort Demokratie angelangt sind, muss auf einen Artikel in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG verwiesen werden, bei dem es – laut Überschrift – um "die Demokratie im Handgemenge" geht. Der Grüne Jan Philipp Albrecht fragt:
"Leben wir wirklich in postdemokratischen Zeiten? Rutschen wir in ein postdemokratisches Zeitalter, in dem die Menschen sich zwar Demokratie wünschen, aber Unternehmen, Technokraten oder gar Algorithmen die Entscheidungen treffen?"
Als Europa-Parlamentarier erlebe er etwas anderes, berichtet er. Er schildert:
"Die immer wieder ans Tageslicht tretende Einflussnahme auf die Politik, bis hin zur Korruption, und die immer größere Entfernung der Entscheidungsprozesse von der Bevölkerung verstärken den Eindruck einer entkernten Demokratie."
Inzwischen werde aber deutlich,
"dass die Versprechungen der einfachen Botschaften reine Luftschlösser oder gar schlichte Lügen sind und die Populisten den Herausforderungen globaler Realitäten weniger gewachsen sind als die bisherigen politischen Eliten."
Albrechts Hoffnung:
"Gelingt es uns, die parlamentarische Demokratie durch ihre jetzige Krise zu bringen, wird am Ende ein neues Modell internationaler demokratischer Prozesse stehen. Die gescholtene Europäische Union stellt das wichtigste Experiment und eine große Chance für den Erhalt der Demokratie dar."
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