Morrissey hat Trump zum Fressen gern - vielleicht
Wäre Trump überhaupt da, wenn es nach den Antinatalisten ginge? Und wer sind die Antinatalisten überhaupt? Es hat jedenfalls was mit Vermeiden zu tun. Und Morrissey könnte die Lösung kennen, wie man mit Trump umgehen sollte.
"Seitdem er an der Macht ist, hat er die Welt erschöpft", analysiert der britische Sänger Morrissey im Interview mit dem neuen SPIEGEL und meint Donald Trump. "Er grapscht nach allem wie ein kleines Kind. Er ist kein Anführer. Er ist ein Ungeziefer. Ein riesiges Ungeziefer." Belasteter Begriff, von wegen Nazis über Juden, denkt man als Leser, wird aber sofort von Morrissey zurechtgestutzt: "Politisch korrekt zu sein ist inkorrekt."
"Schizophrenie bekommt man hierzulande nach einer Sitzung diagnostiziert, Trump beobachten wir seit Jahrzehnten und trauen uns nichts", zitierte Claus Leggewie die US-amerikanische Schriftstellerin Siri Hustvedt in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. "Die Welt, wie wir sie kennen, könnte mit einem Drei-Uhr-Morgen-Tweet untergehen." Und in der WELT, also der Zeitung, befand der Linguist und Intellektuelle Noam Chomsky: "Wir stehen am Rande der Vernichtung der Menschheit."
Die Theater-Inkompetenz hat die Bühne erobert
Deshalb brauchen wir eine Vermeidung der Menschheit, behaupten wiederum die Antinatalisten. Die Anti-Was? Iris Radisch klärte in der ZEIT auf: Antinatalisten sind gegen die Geburt von neuen Menschen. Sie halten "die Nachkommenslosigkeit für eine absolut notwendige, umweltschonende Maßnahme. […] Sie sind hoffnungslose Apokalyptiker."
Wenn Sie, liebe Hörer, jetzt schon keine Lust mehr auf Weltuntergangsstimmung haben, dann müssen Sie leider tapfer bleiben. Denn die Feuilletons dieser Woche waren nun mal von endzeitlichen und niederschmetternden Interpretationen bestimmt. Am Ende dieser Kulturpresseschau gibt’s aber Hoffnung und zur Belohnung für das Durchhalten eine Wurst.
"Der erste Eindruck nach drei Einaktern von Samuel Beckett und diversen 'Interaktionen‘ von Tino Sehgal: Die Volksbühne atmet an diesem Abend, man wagt es kaum hinzuschreiben, tatsächlich mehr den Geist eines Museums als den eines Theaters", schrieb Christine Dössel in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG über den ersten Premierenabend unter der Intendanz des früheren Museumsmannes Chris Dercon an der Berliner Volksbühne. "Was hier passierte, war nichts anderes als eine Veralberung des Publikums. Als wolle der Intendant seine Kritiker vorführen, indem er es geradewegs darauf anlegt, jedes ihrer Vorurteile zu bestätigen", zeigte sich Simon Strauß in der FAZ entsetzt. Und Peter Kümmel fragte in der ZEIT mit Blick auf die zwei präsenten Mannschaftswagen der Polizei, die wohl eine erneute Besetzung des Hauses durch Dercon-Gegner verhindern sollte: "Welche Instanz schützt die Volksbühne nun vor der Besetzung durch Theater-Inkompetenz, die zum Normalfall zu werden droht?"
Mut durch Fortschritt
Vielleicht die Instanz der Maschinenmenschen? "Nicht Roboter, die den Menschen ersetzen, sind das Problem der Arbeitswelt, sondern Menschen, die zu Robotern werden", schrieb Adrian Lobe in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. So nutze Amazon in seinen Logistikzentren GPS-Sender, um die eigenen Mitarbeiter zu überwachen. Die hießen - wegen ihrer roboterhaften Art zu arbeiten - "Amabots". Solch einen Amabot zitierte Lobe wie folgt: "Wir sind Maschinen, wir sind Roboter, wir stecken unseren Scanner rein. Wir halten ihn, aber wir könnten den Stecker auch in uns selbst hineinstecken." Die US-amerikanische Firma Three Square Market hat ihren Mitarbeitern sogar Mikrochips implantiert, damit sie zum Beispiel kontaktlos Türen öffnen können. Dadurch würden sich die Mitarbeiter zu Cyborgs machen, analysierte Lobe: "Der Überwachte überwacht sich selbst. Wo künstliche Intelligenz immer intelligenter wird, wird der Mensch immer maschinenähnlicher."
"Klar gibt es Gründe, Angst zu haben. Aber eigentlich sollten uns die Fortschritte Mut machen", schrieb der Psychologe Steven Pinker in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. "Solange schlimme Dinge nicht vollständig verschwunden sind, wird es stets genug davon geben, um die Zeitungen zu füllen, und die Leute werden das Gefühl nicht loswerden, das die Welt zugrunde geht." Pinkers Tipp: "Fakten checken ist besser als jammern". Denn die Welt sei in etlichen Punkten nachweislich eine bessere geworden. Menschen würden länger und gesünder leben. Mehr Kinder gingen heute zur Schule. Die extreme Armut sei von 85 auf 10 Prozent gesunken. Die Welt sei insgesamt demokratischer und auch weniger rassistisch als früher. Den Menschen gehe es im Durchschnitt besser aufgrund von Prinzipien wie der Demokratie und der moralischen Verpflichtung zur Einhaltung der Menschenrechte. Pinkers Fazit: "Wir sollten uns bemühen, diese Prinzipien zu verbessern, statt sie in der Überzeugung niederzureissen, nichts könne schlimmer sein als unsere augenblickliche Dekadenz […]."
Die Wurst der Zukunft
Zum Schluss, als dekadente Leckerei, noch die versprochene Wurst: Die Niederländerin Carolien Niebling hat, erfuhr man ebenfalls aus der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG, ein Buch über die "Wurst der Zukunft" geschrieben. "Der Nutztiersektor erzeugt mehr Treibhausgase als der weltweite Verkehr", gab Antje Stahl zu bedenken und erklärte, Niebling schlage deshalb vor, den Fleischanteil in der Wurst zu verringern und "mit anderen essbaren Dingen" zu ergänzen: "In Würsten können Insekten – Kakerlaken, Larven, Mehl- oder Seidenwürmer – verarbeitet werden […]." Da erscheint Morrisseys Deutung im SPIEGEL, Donald Trump sei ein "riesiges Ungeziefer", in einem ganz neuen Licht. Wahrscheinlich kommt hier nur der Wunsch des Sängers und bekennenden Gegners der Massentierhaltung zum Ausdruck, Trump wäre ein "riesiges Insekt", das man einfach in Würsten der Zukunft verspeisen könnte, um ein großes Problem loszuwerden.