Aus den Feuilletons

Museum ohne Ausstellung

04:20 Minuten
Die Baustelle vor dem Humboldt Forum im Berliner Schloss.
Dem Humboldt Forum droht eine Eröffnung ohne die dazu geplante Ausstellung. © Wolfram Kastl / dpa
Von Tobias Wenzel |
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Das Humboldt Forum wird wohl ohne die geplante Ausstellung eröffnet. Viele Museen wollen ihre Leihgaben einem sich noch im Bau befindlichen Haus nicht überlassen, schreibt die "FAZ" und fragt sich, wie das den Verantwortlichen entgehen konnte.
"Es war einmal ein Schloss. Genauer: Es war einmal kein Schloss", schreibt Jürgen Kaube in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG und erzählt das wahre Märchen vom Schlossbau und vom Humboldt-Forum in Berlin mit all dem Hin und Her und mit der neuesten Überraschung: Das Humboldt-Forum werde wohl leer, ohne Ausstellung, eröffnen.
"Denn eine sich nur abzeichnende Fertigstellung war den Besitzern des kostbaren Elfenbeins, mit dem eröffnet werden sollte, zu wenig. Der Leihgabe von empfindlichen Schätzen an ein Museum, das noch im Bau ist, konnten sie nicht zustimmen", schreibt Märchenonkel Kaube. "Niemand verstand, wie das den Museumsherren und Intendanten und Staatsministerinnen hatte entgehen können."
"Wäre eine Eröffnung des leeren Hauses denn so schlimm?", fragt Boris Pofalla ketzerisch in der WELT. "Schon das von David Chipperfield restaurierte Neue Museum auf der Museumsinsel wurde der Öffentlichkeit erst einmal ohne Nofretete übergeben. Und diese Öffentlichkeit war dennoch begeistert."

Die Historikerin, die eine Familie erfand

Einen erheblichen Teil der internetaffinen Öffentlichkeit hat die promovierte Historikerin Marie Sophie Hingst mit ihrem Blog begeistert. 2017 wurde sie gar zur Bloggerin des Jahres gewählt. Sie schrieb gerne über ihre jüdische Großmutter. Seit der "Spiegel"-Recherche ist klar: Hingst hat ihre angeblich jüdische Familiengeschichte samt 22 Holocaust-Opfern erfunden. Tatsächlich stammt Hingst von einer evangelischen Familie ab.
"Als klar war, dass der Spiegel ihr Lügengebäude zum Einsturz bringen würde, ließ sie über einen Anwalt erklären, dass die Texte in ihrem Blog 'ein erhebliches Maß an künstlerischer Freiheit für sich in Anspruch' nähmen. 'Es handelt sich um Literatur, nicht um Journalismus oder Geschichtsschreibung'", zitiert Alex Rühle in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG aus der Erklärung und kommentiert sie so:
"Das ist ziemlich dreist. Ihren vermeintlichen Wert bezogen ihre Texte ja gerade daraus, dass sie auf den Erinnerungen einer Überlebenden fußten. Hätte Hingst sie als reine Fiktion in die Welt geblasen, kaum jemand hätte sich vermutlich dafür interessiert". Solch eine Lügengeschichte sei "Wasser auf die Mühlen der Holocaustleugner" und kontaminiere die "echten Opferberichte".

Der Journalist, der die Seiten wechselte

Einige russische Intellektuelle kontaminieren ihre eigenen politischen Überzeugungen. Das erfährt man aus Kerstin Holms Artikel für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. So habe Alexej Kungurow als Journalist noch mafiöse Strukturen aufgedeckt und deshalb dreimal im Gefängnis gesessen. Um finanziell über die Runden zu kommen, muss er nun Aufträge annehmen, die seinen eigenen Werten widersprechen.
In den Worten von Kerstin Holm: "Heute arbeitet Kungurow in einem Moskauer Vorort für einen Unternehmer, der sich durch ein politisches Amt gegen Racketeers aus den Sicherheitsorganen absichern will. Kungurow verrät nicht, für welche Partei sein Kunde kandidiert. Doch die russische Legislative beschreibt er als verkommen, die 'Systemopposition' der Kommunisten verkaufe Listenplätze an Geschäftsleute. Und für seinen Klienten sei es am Ende kostengünstiger, dafür zu zahlen und ein paar soziale und ökologische Projekte zu fördern, als dreißig Prozent seiner Gewinne an Sicherheitsbeamte abzuführen."
Vom Schutzgeld zum vermeintlichen Schutz der Jugend, vom heutigen Russland zurück in die Sowjetunion. Die Internetseite openculture.com hat die Liste einer sowjetischen Jugendorganisation aus dem Jahr 1985 veröffentlicht. Mit der Liste, die verbotene Musiker und den jeweiligen Grund des Verbots verzeichnet, sollte die Kontrolle in Diskotheken erleichtert werden. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG gibt die Liste wieder. Darin ist unter anderem zu lesen: "Tina Turner: Sex", "Pink Floyd: Verzerrung sowjetischer Außenpolitik" und "Julio Iglesias: Neofaschismus".
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