Musikfreunde hören Mono
"Wer 'Sgt. Pepper' noch nie Mono gehört habe, der habe 'Sgt. Pepper' überhaupt noch nie gehört", zitiert die "FAZ" John Lennon und singt ein Loblieb auf die alte Tonaufnahme. Die Zeitung rät: Auch im sonstigen Leben des Öfteren auf Mono schalten.
"'Man sollte ihnen keine Träne nachweinen'",
hieß es laut der Tageszeitung DIE WELT am 1. Oktober 1989 in der abendlichen Hauptnachrichtensendung des DDR-Fernsehens. Der heute unscheinbar anmutende Satz bezog sich auf die Botschaftsflüchtlinge in Prag. Erich Honecker persönlich hatte ihn, wie später herauskam, in den Nachrichtentext hineinredigiert. WELT-Autor Oliver Michalsky geriet damals auf der Fernsehcouch in Wallung:
"Was war das denn? Waren nicht alle optimistisch-heiter gestimmt angesichts des bevorstehenden 40. Jahrestages der DDR? Stand nicht in der größten DDR aller Zeiten der Mensch im Mittelpunkt allen Strebens? Hat Erich Honecker im Ärger über Prager Jubelszenen und Leipziger Montagsdemonstrationen die Nerven verloren? Kaum. Der SED-Generalsekretär hat an jenem Tag im Affekt der Beleidigung über sein widerspenstiges Staatsvolk die Wahrheit rausgelassen. Fort war er, der Popanz um die SED, die die werktätigen Bauern mag."
"Lüge als Lebensprinzip"
Ob Wladimir Putin wohl auch mal die Wahrheit rauslässt in puncto seiner Pläne? Folgt man dem Schriftstelle Boris Schumatzky, wird es nie dazu kommen. Unter dem Titel "Lupenrein verlogen" konstatiert Schumatzky in der Wochenzeitung DIE ZEIT, die wegen des Nationalfeiertags in dieser Woche früher als üblich erscheint:
"Wladimir Putin betreibt eine radikal postmoderne Politik, er glaubt nicht einmal sich selbst. Das kapieren die Russlandversteher nicht."
Und weiter:
"Eine Lüge, von Schlägern erzählt, so nannte Ernest Hemingway den Faschismus (...). Der entscheidende Unterschied zwischen dem Putinismus und dem Hitlerfaschismus ist, dass die Faschisten und Nationalsozialisten ihre Lügen weitgehend selbst geglaubt haben. Der Putinist glaubt jedoch nur an eins, an die Lüge als Lebensprinzip."
Entzauberung eines Katalanen
Wie gedruckt gelogen hat auch Jordi Pujol, laut NEUE ZÜRCHER ZEITUNG "während fast eines Vierteljahrhunderts (...) der ungekrönte König der Katalanen". Bis er im vergangenen Juli bekennen musste, sein geerbtes Vermögen jahrzehntelang im Ausland geparkt – die NZZ schreibt "parkiert" – zu haben.
"Die Nachricht hat eine tiefgehende Erschütterung im ganzen Land verursacht, besonders bei seinen Anhängern, die ihm nicht verzeihen, sie zu Ehrlichkeit und Arbeitseifer angehalten zu haben, während er selbst das Gesetz brach. Und wie man hört, sollen auch seine Frau und seine sieben Kinder es ähnlich gehalten und derart hohe Gewinne mit dunklen internationalen Geschäften erzielt haben, dass sich das Vermögen des Pujol-Clans auf mindestens drei Milliarden Euro belaufe",
berichtet Rosa Regás. Ob und wie Pujols Steuer-Skandal indessen die katalonischen Unabhängigkeitsbestrebungen beeinflusst, das vermag die NZZ-Autorin ganz ausdrücklich nicht zu sagen, was den Artikel irgendwie unbefriedigend macht.
Trend zur Mono-Aufnahme
Klipp und klar hingegen die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. Sie proklamiert:
"Stereo und Multitasking kommen uns nicht mehr ins Haus."
Laut Tobias Kreuzer geht der Trend unter Musikfreunden entschieden zur Mono-Aufnahme – und das aus guten Gründen:
"Von John Lennon ist die Behauptung überliefert: Wer 'Sgt. Pepper' noch nie Mono gehört habe, der habe 'Sgt. Pepper' überhaupt noch nie gehört. (...) Brian Wilson von den Beach Boys erklärte mehrmals, dass der einzige Weg für einen Künstler, Musik mit ihrer ursprünglich gedachten Klangästhetik an den Hörer zu bringen, der einkanalige sei. (...) Das amerikanische Magazin 'Jazz Times' bescheinigte einer Neuauflage von Miles-Davis-Aufnahmen 2013 'einen Crunch und eine Dichte, die im Grunde jede Stereoaufnahme ans hinterste Ende der Plattensammlung verbannt'."
Kreuzer deutet die Überlegenheit der "monoauralen Tonaufnahme" auch dahingehend, dass wir grundsätzlich nicht dazu geboren wurden, zwei Dinge gleichzeitig zu tun.
Konsequenterweise rät der FAZ-Autor,
"auch im sonstigen Leben des Öfteren auf Mono zu schalten. Die Erfahrung ist in jedem Fall intensiver, das Ergebnis der Arbeit besser. Das Glas Wein zur Lieblingsplatte fällt in diesem Zusammenhang zudem noch nicht unter Multitasking."
Sie ahnen, liebe Hörer, dass uns jetzt nur noch ein Wort zu sagen bleibt. Es lautet: Prost!