Netflix auf der großen Leinwand schauen
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Kompletter Unsinn sei es, dass Netflix den Tod der Kinos bedeutet, sagt ein Münchner Kinobetreiber in der "SZ". Vielmehr verdiene er mit einer Netflix-Produktion mehr Geld, weil die Leute Filme wie "The Irishman" auf der großen Leinwand sehen wollten.
Was ist das? Seit Jahren wird behauptet, Streamingdienste seien der Tod des Kinos. Kompletter Unsinn, sagt der Münchner Kinobetreiber Thomas Kuchenreuther der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, und legt sogar noch einen drauf: "Ich verdiene an einem Netflix-Film mehr Geld".
Kuchenreuther bietet seinem Publikum Netflix-Filme wie "The Irishman" an, auch wenn sie parallel online laufen.
Die meisten Kinobetreiber sehen darin einen Tabubruch und kritisieren ihn scharf. Warum genau? "Weil ich mit dem Gewohnheitsgesetz breche, nach dem Filme einen längeren Zeitraum exklusiv nur im Kino ausgewertet werden", sagt der Münchner Kinobetreiber, und weiter:
"Aber ich enthalte meinem Publikum doch nicht ein Meisterwerk von Martin Scorsese vor wegen eines alten Geschäftsmodells, das längst obsolet ist."
Seiner Erfahrung nach würde man voneinander profitieren, und die Netflix-Werbung würde seinem Kino nutzen – weil die Leute den Film eben doch auch auf der großen Leinwand sehen wollten.
Hat der Mann nun einfach Glück gehabt mit seiner Planung oder ist er ein Visionär seines Faches? Der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG gegenüber gibt sich Thomas Kuchenreuther jedenfalls sehr selbstbewusst, er meint:
"Das war schon bei der Digitalisierung so, da waren sich viele Kinobetreiber sicher, dass man keine digitalen Projektoren braucht. Sie kamen natürlich trotzdem. Mit den Streamingdiensten findet wieder eine Diskussion statt, die viele nicht zu Ende gedacht haben".
Der Zuschauer als Trüffelschwein
Interessant ist in diesem Zusammenhang das Interview, dass der erfolgreiche Produzent Nico Hofmann der FAZ gibt, eher ein Rundumschlag vom Hölzchen aufs Stöckchen, aber zur Zusammenarbeit mit den neuen Playern aus dem Netz im Vergleich zu den traditionellen Sendern wird Hofmann auch gefragt.
"Beide Märkte bewegen sich sehr schnell und sie bewegen sich aufeinander zu", so Hofmann in der FAZ, und weiter: "Beeindruckend ist die Geschwindigkeit. Sie bekommen bei Netflix innerhalb von vier Wochen eine klare Ansage". Und der Produzent ist sich sicher: "Die Zuschauer finden die Trüffel."
Bei so viel Optimismus leiten wir gleich über zur WELT, wo Manuel Brug fröhlich feststellt: "Heute ist alles besser". Begeistert ist der Rezensent von der Uraufführung der neuen Oper von Olga Neuwirth in Wien, ihr "Orlando" ist zudem das erste Werk einer Komponistin, das die altehrwürdige und ein bisschen angestaubte Wiener Staatsoper zeigt.
Ein riesiger Publikumserfolg, so die WELT, "die drei folkloristisch dazugehörigen Buhs inklusive." Komponistin wie Aufführung gehen mächtig zur Sache, Neuwirth "lässt es weltkriegskrachen, kann Pathos und virtuose Opernarie, marthalert mit ,Danke für diesen guten Morgen‘, zitiert ‚O Tannenbaum‘ und den Offenbach-Cancan, lässt ihre geliebte Trompete präludieren und das Schlagzeug wirbeln, pflügt sich durch Free-Jazz, Filmmusik, Punk und Elektropop."
Der "Kontertenor" der Jusos
So viel lustvolles Spektakel gelingt der SPD derzeit eher wenig. Selbst wenn man auf dem Parteitag trotzig die "Internationale" anstimmte. Das lag aber nur daran, meint die TAZ, "dass gerade viele Jusos im Saal waren. Die kennen in der Regel den Text, weil sie das Lied stets zum Abschluss ihrer Bundeskongresse singen. Das haben die Jusos mit der Linkspartei gemeinsam."
Zur echten "SPD-Parteihymne" hat es die "Internationale" aber nie gebracht, weshalb der stimmstarke Juso-Chor für manche Genossen fast ein Revolutiönchen war. Immerhin, ein "Kontertenor", freut sich die TAZ.
Bei so viel Lust an Neuem oder neu intoniertem Alten kann die NZZ heute nicht mithalten – hier stimmt der Schriftsteller Alain Claude Sulzer Loblied und Klagegesang in einem an auf ein ganz altes Kulturgut, auf das überquellende Bücherregal nämlich – das "könnte eine Schatzgrube sein". Klappt aber selten. Stattdessen gilt für Freaks, Sammler, Dauersucher nach dem ganz bestimmten Band im knarzenden Regal ein achselzuckendes: "Hier sinkt nur noch Staub nieder".