Aus den Feuilletons

Neue Wege des Erinnerns

04:21 Minuten
Die Auschwitz-Überlebende Eva Umlauf.
Die Auschwitz-Überlebende Eva Umlauf hat für ihr digitales Ich tausend Fragen vor der Kamera beantwortet. © Rolf Vennenbernd / dpa
Von Tobias Wenzel |
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Die Zeitzeugin Eva Umlauf hat Auschwitz überlebt. Nun gibt es ein Hologramm von ihr, das auch nach ihrem Tod künftige Generationen über den Holocaust aufklären soll. Die FAZ schreibt von einem "Remix der Erinnerung".
"Im Streit über ihr Doktorarbeitsplagiat hat Franziska Giffey lange geschwiegen. Nun verkündet sie, auf den Doktortitel zu verzichten. Richtig so?", fragt die taz Friedrich Küppersbusch. Und der antwortet:
"Der lausige Lappen – Plagiate auf 75 von 205 Seiten – hat die SPD bereits eine verheißungsvolle Vorsitzende und nun bald auch eine Bürgermeisterkandidatin gekostet. Giffey selbst hat von vornherein auf Herumdoktern gesetzt, statt nüchtern einzuschätzen, dass sie Mist gebaut hat. Fremdmist sogar." Sie hat sich mit fremden Federn geschmückt, also ohne das Fremde zu kennzeichnen, es mit Eigenem gemischt.

Die Grenzen der Urheberschaft

Ums Mischen und Neumischen geht es überhaupt in den Feuilletons vom Montag. "Remix der Erinnerung" heißt ein Artikel in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.
Wie kann man das Gedenken an die Shoa wachhalten, wenn die Zeitzeugen aussterben? "Sind Hologramme eine gute Idee?", fragt Victor Sattler und berichtet davon, wie die KZ-Gedenkstätte Dachau den Einsatz solcher digitalen Zeitzeugen erprobt.
Die Zeitzeugen Eva Umlauf und Abba Naor haben für das Projekt 2018 jeweils tausend Fragen vor der Kamera beantwortet:
"Seitdem existiert von beiden ein Hologramm, das scheinbar vor der Leinwand in der Luft schwebt. Mit einer 3-D-Brille werden die Hände plastisch, wie sie auf den Lehnen eines roten Sessels ruhen, und mit der Zeit werden die Finger ungeduldig, denn der Computer wartet auf Anweisungen", erklärt Sattler.
Den Hologramm-Zeitzeugen kann man Fragen stellen, auf die sie dann antworten. Wenn man deutlich genug spricht, keine Fragen zu Ereignissen nach 2018 stellt und die Technik mitspielt.
Durch das Verschwinden der Zeitzeugen breche eine "Ära des Remix" an, schreibt Sattler: "Aus der Fülle an Geschichten, die sie hinterlassen, kann alles ausgewählt, passend gemacht und neu kombiniert werden. So könnten die Hologramme in Zukunft in 4-D-Landschaften sitzen oder als Avatar wie ein Menüknopf durch historische Quellen führen."
So etwas rufe, gerade beim Thema Shoa, aber auch Kritik hervor. In den Künsten sei es dagegen weit verbreitet, dass der Remix "die Grenzen von Urheberschaft" auslote.

Computergenerierte Popmusik

Aber auch in den Künsten gibt es Kritik am Remix durch Künstliche Intelligenz, kurz KI, erfährt man in Michael Moorstedts Artikel für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Künstliche Intelligenz könne nämlich schon selbstständig Popmusik generieren. "Wäre es nicht denkbar, so die Kritiker, dass Streamingportale schon bald KI-Songs abspielen und sich so die Tantiemen an die menschlichen Künstler sparen?", gibt Moorstedt eine Sorge wieder.
"Jukebox" heißt das Programm, mit dem das Forschungsinstitut "OpenAI" herumexperimentiert. Jukebox erzeuge völlig selbstständig Lieder im Stile von Ella Fitzgerald, Bob Marley oder Elvis Presley. Das Publikum sei allerdings noch nicht von den Ergebnissen begeistert, verrät Michael Moorstedt:
"'Schreie der Verdammten', kommentierte etwa ein Nutzer unter die Hörproben, 'klingt dämonisch', ein weiterer, der Guardian spricht dagegen von 'traurigen Geistern, verloren in der Maschine'. Wenn der computergenerierte Frank Sinatra über Weihnachtsspaß im Whirlpool singt, ist für viele die Grenze zum Sakrileg weit überschritten."
Moorstedt kann allerdings die Empörung nicht so recht verstehen: "Wo ist der Unterschied zum Remix und zum Sampling, gibt es nicht auch clevere Kopien, die das Original durchaus auch anreichern?", fragt er und erwähnt, dass ein niederländischer Radiosender einen "AI Song Contest" lanciert hat und Forscherteams dementsprechende Lieder generiert haben: "Hört man mal nur eben so rein, lässt sich kaum ein Unterschied zum Material feststellen, das beim Vorbild Eurovision Grand Prix so rumdudelt."
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