Aus den Feuilletons

Nothilfe statt Eiertanz

Flüchtlinge in einer Kirche in Berlin-Kreuzberg
Flüchtlinge in einer Kirche in Berlin-Kreuzberg © imago/Christian Mang
Von Adelheid Wedel |
Das künstlerische Schreiben wieder politischer zu machen, haben sich Autorinnen aufgrund politischer Versäumnisse beim Flüchtlingsthema vorgenommen, berichtet die "taz". Die "ZEIT" verteilt viel Lob für das Engagement der Kirchen für Flüchtlinge.
"Die richtige Sprache finden"das ist eventuell eine der Möglichkeiten, die Flüchtlingsproblematik anzugehen. So dachten die Initiatorinnen der "Summer School" im Südtiroler Feldthurns und stellten den einwöchigen Workshop unter das Thema "Flucht und Zuflucht".
"Wir lassen die Menschen allein, die Not, Krieg, Gewalt, die Sorge ums eigene Leben oder um das der eigenen Kinder dazu bewegen, alles zurückzulassen und zu fliehen, sich auf ein Wagnis einzulassen,"
zitiert die Tageszeitung TAZ aus der Eröffnungsrede der Theater- und Hörspielautorin Maxi Obexer. Zehn Autorinnen arbeiten eine Woche lang an ihren Texten mit dem Ziel, so Christine Helfer, "das künstlerische Schreiben wieder zu einem politischen Schreiben zu machen. Literaten und vor allem Dramatiker könnten mit ihren Texten aufrütteln und bewegen, jenseits von moralisierenden Botschaften", heißt es weiter im Text. In Südtirol, am Brenner ist es unübersehbar, wie sehr die Flüchtlingszahlen steigen.
"Im Mai dieses Jahres hat eine Freiwilligenorganisation eine Erstversorgungsstelle am Bahngleis in Bozen, der Landeshauptstadt, durchgesetzt."
Das sind Themen für die Schreibenden, die mit ihren Arbeiten für "die untätige Politik"einerseits "und die Hilfsbereitschaft der Zivilbevölkerung"andererseits eine Sprache finden wollen.
"Wir können nicht tatenlos zusehen"
Die Beilage der ZEIT, CHRIST UND WELT, widmet in ihrer jüngsten Ausgabe mehrere Beiträge der Armut in Griechenland sowie den Flüchtlingen aus aller Welt. "Wir können nicht tatenlos zusehen" sagen zwei deutsche Lehrerinnen und berichten, warum sie nach dem Hilfeschrei ihrer griechischen Kollegin aktiv geworden sind.
"Die griechische Lehrerin hatte offen über die alltäglichen Nöte und Ängste der Menschen in Griechenland erzählt. Ich wusste nicht, wie schlecht es der griechischen Bevölkerung geht, dass Lehrer dort mit allen Kräften versuchen, den Schulalltag aufrecht zu erhalten",
meint Sarah Bade, eine 29-jährige Lehrerin aus der Nähe von Bremen, die jetzt eine Partnerschaft mit einer griechischen Schule organisieren will. Sabine Rückert schreibt – ebenfalls in Christ und Welt:
"Die Flüchtlinge sind ein Glück für Deutschland. Wir müssen es erkennen und gegen Widersacher verteidigen."
Andreas Öhler geht auf die Rolle der Kirchen beim Flüchtlingsthema ein und verteilt viel Lob. Er berichtet:
"Angesichts des großen Flüchtlingsansturms, den dieses Land jemals gesehen hat, haben sich die Kirchen klar positioniert: keine taktischen Eiertänze mehr, kein Vorfühlen bei den Mächtigen, was denn nun opportun sei. Flüchtlinge sind hier willkommen, weil die christliche Menschenliebe das so gebietet. Punktum."
Europäischen Austausch fördern
In der Tageszeitung DIE WELT plädiert Marko Martin für einen stärkeren internationalen Austausch unter jungen Menschen.
"Ein vereintes Europa als Lehre aus zwei Weltkriegen – das reicht nicht mehr, um für die EU zu werben. Wir brauchen weniger Gedenkroutine und mehr praktischen Austausch",
meint der Berliner Autor und fragt:
"Wie kommt es, dass wir Europäer so wenig voneinander wissen – im Positiven wie im Negativen? Könnte es sein, dass wir gefangen sind in uralten Narrativen?"
Von einem erweiterten europäischen Narrativ erwartet er "fragmentarische Geschichten statt statisch erinnerte Historie, lebenspraktischen Gegenwarts- und Zukunftsmut statt elitärem Gedenkdünkel".
"In die Kolonialismus-Falle will das Humboldt-Forum in Berlins Mitte auf keinen Fall tappen",
schreibt Mark Siemons in der ZEIT. Aber "mit dem Schlagwort 'shared heritage' weicht das geplante Humboldt-Forum der entscheidenden Frage aus: Wie kann sich Deutschland dem Dialog der Kulturen stellen?"Was darf in Berlin ausgestellt werden? Was müsste in die Herkunftsländer zurückgeschickt werden? Solche und ähnliche Fragen müssen sich die Kuratoren stellen – wissend,
"dass es in fortgeschrittener kultureller Perspektive auf Ländergrenzen letztlich nicht mehr ankomme und wir uns alle mehr als Teil einer gemeinsamen Menschheit verstehen sollen."
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