Aus den Feuilletons

Ökos lieben Sex im Flugzeug

Der Bürgermeister von Marktl, Hubert Gschwendtner (4.v.r, SPD) posiert am Freitag (20.05.2011) auf dem Gelände des Flughafens München (Oberbayern) zusammen mit seiner Frau Helga (3.v.r), dem Geschäftsführer der Lufthansa Cityline, Klaus Froese (2.v.r), sowie der Taufcrew vor dem zuvor getauften Lufthansa-Regionaljet "Marktl" vom Typ Embraer 195. Das Flugzeug trägt damit den Namen des Geburtsortes von Papst Benedikt XVI.. Foto: Arne Meyer dpa/lby
Die Zeit hat erotische Vorlieben einzelner Wählergruppen untersucht. Immerhin vier Prozent der Grünen-Wähler stehen auf Sex im Flugzeug. © picture alliance / dpa / Arne Meyer
Hans von Trotha |
Die großen Parteien unterscheiden sich kaum noch, so ein gängiges Lamento. Tun sie doch, hat die "Zeit" rausgefunden, zumindest, was die erotischen Vorlieben ihrer Wähler angeht: CDUler sind treu, FDPler legen Wert auf gutes Aussehen, Grüne sind, nun ja, experimentierfreudig.
In der ZEIT gratuliert ZEIT-Starautor Slavo Žižek ZEIT-Starautor Peter Sloterdijk zum Siebzigsten. Fazit:
"Ich finde es produktiver, mit ihm zu streiten, als im abgestandenen Wasser des liberalen Konsens zu treiben."
Gegen das abgestandene Wasser des liberalen Konsens scheint das Blatt zunehmend Satzzeichen einzusetzen. So schickt uns das ZEIT-Feuilleton mit Lektüre-Empfehlungen (von denen zwei das ultimativ fordernde Ausrufezeichen in der Überschrift führen) "Ab in den Lesesommer!" Ausrufezeichen! Und neben einem Artikel zum Fall des aus der Türkei abgeschobenen französischen Journalisten Mathias Depardon mit dem Titel "Diplomatie kann helfen!" Ausrufezeichen! – fordert der Kunsttheoretiker Stefan Heidenreich auch mit einem solchen (und man fragt sich, warum nur mit einem):
"Schafft die Kuratoren ab!"
Na, wenn das keine Forderung ist! Aber – warum eigentlich?
"Kuratieren ist undemokratisch, autoritär und korrupt."
Und weiter fordert Heidenreich:
"Überwindet das Kuratieren, beteiligt die Betrachter, demokratisiert das Ausstellen!"
Satzzeichen versteht sich von selbst. Zeichnet sich da bei der ZEIT ein neuer Autoritarismus ab?

Zurückhacken ist undemokratisch

Undemokratisch ist übrigens nicht nur das sogenannte Kuratieren, sondern auch das sogenannte "Hacking Back". Was das ist, erklärt uns Hakan Tanriverdi in der SÜDDEUTSCHEN:
"Dabei handelt es sich um eine Art Gegenangriff, mit dem die Server von Hackern während eines Cyberangriffs zerstört werden sollen".
Das, heißt es, erwäge derzeit das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik als Strategie.
"Die Grünen sehen Hacking Back rechtlich und technisch als 'maximal problematisch' an."
Und:
"Wir glauben, Verteidigung ist die beste Verteidigung".
Da sage noch einer, die Grünen würden sich nicht profilieren.

Online-Überwachung ist undemokratisch

Undemokratisch wäre übrigens auch, was das Justizministerium derzeit zur Überwachung sozialer Medien prüft. Dinah Riese zitiert in der FAZ eine Studie des "Oxford Internet Instituts" mit der Feststellung:
"Die Bemühungen des chinesischen Staates, Online-Informationen zu kontrollieren, erinnern an die Strategien, die im Westen gerade vorgeschlagen werden … Doch widerspräche ihre Anwendung allen demokratischen Prinzipien grundlegend."
In der Studie heißt es auch, "20 Prozent aller politischen Nachrichten und Informationen auf Twitter" hierzulande seien Fake News.

Humboldts 250. Geburtstag

Da halten wir uns doch lieber an die gedruckten Feuilletons und ihre Würdigungen. Wo die ZEIT Sloderdijks Siebzigsten hat, da hat die WELT Humboldts 250. Und bemüht sich, das mal ganz, ganz locker anzugehen:
"Der Coole von der Schule" titelt das Blatt und "Zu groß fürs Klein-Klein". Immerhin zitiert Alan Posener viel Original-Humboldt, etwa:
"Der wahre Zweck des Menschen ist die höchste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen".
Tilman Krause darf sogar zweimal. Einerseits erläutert er uns Humboldts "krumme berufliche Laufbahn", vor allem aber interessiert sich Krause für dessen Sexleben und kann seine Fantasie gar nicht davon lassen, dass Humboldt ins Bordell gegangen ist und das auch noch mit Datum und Preis protokolliert hat. "Sexualität", sinniert der Feuilletonist, sei "schließlich eine Frage des Alters".

"FDPler stehen auf gutes Aussehen"

Wirklich? Nicht vielleicht doch eher eine Frage der politischen Orientierung? Nina Pauer wertet für die ZEIT eine statistische Befragung der Single-Börse "Elite-Partner" aus. Statistisches Wissen, das angesichts der anstehenden Bundestagswahl gar nicht überschätzt werden kann, im Ergebnis allerdings erwartbar ausfällt:
"Unionswähler sind treu … Für SPD-Wähler ist Freundschaft wichtiger als Sex, … FDPler stehen auf gutes Aussehen … , für Linke spielt beruflicher Erfolg keine große Rolle. AfD-Wähler … sind … schnell bereit, sich von ihrem Partner zu trennen, wenn dieser sich äußerlich stark verändert."
Und die Grünen? "
"»Auch wenn Sex im Flugzeug eher ein Mythos ist«, schreibt Elite Partner zum Thema erotische Experimentierfreudigkeit, »gehören immerhin vier Prozent der Grünen- Wähler zum Mile High Club«."
Statt sich über den erneuten Profilierungs-Punkt zu freuen, setzt Nina Pauer nach:
"Was, möchte man fragen, hatten sie überhaupt in einem Flugzeug zu suchen?"
Fragezeichen. Obwohl es in der ZEIT steht. Hätte aber genausogut ein Ausrufezeichen werden können!
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