Aus den Feuilletons

Probleme im Osten

Von Adelheid Wedel |
Die Ukraine beschäftigt auch die Feuilletons: Die "NZZ" widmet dem Thema einen Essay, der die gesellschaftlichen Auswirkungen beleuchtet. Die "taz" fragt sich, warum Sportler angesichts der umstrittenen Winterspiele immer schweigen und die "SZ" macht eine Neuentdeckung.
"Die Proteste in der Ukraine sind nicht nur gegen das Regime gerichtet, sie zeugen auch von einem Wertewandel, der nicht aufzuhalten sein wird",schreibt der Schriftsteller und Journalist Mykola Rjabtschuk in seinem Essay in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Rjabtschuk lebt und arbeitet in Kiew, das macht seinen Bericht so glaubwürdig. "Die Ukraine steht mitten in einer Zerreißprobe und im Umbruch, aber das Land wird nicht zerfallen,"formuliert er optimistisch. Er beobachtet:"Im Protest gegen die herrschende Elite in der Ukraine bilden sich neue Allianzen heraus."Die Gesellschaft sei jetzt gespalten in Anhänger sowjetischer, panslawischer sowie in Anhänger antisowjetischer, proeuropäischer Werte und Einstellungen. Die Demonstranten stehen "für die Hoffnung auf ein normales Leben in einem normalen Land",und genau diese Hoffnung habe die Kiewer Regierung den Ukrainern im November geraubt. Rjabtschuks Resümee lautet:
"Die Menschen fühlen sich nicht nur um das Abkommen mit der Europäischen Union betrogen, nein, sie fühlen sich um die Bemühungen für die Entwicklung ihres Landes geprellt. Für viele dieser Ukrainer war das Assoziierungsabkommen die letzte Hoffnung, den Aufbau ihres Landes friedlich zu gestalten. Sie hofften, die Rechtsstaatlichkeit würde im Lande mit Hilfe der EU wiederhergestellt und die Verpflichtungen ihr gegenüber würden eingehalten",hofft der Autor. Er ist davon überzeugt: "Die Verschiebung der Werte in der Ukraine des vergangenen Jahrzehnts verdeutlicht, dass die westliche Ausrichtung des Landes unvermeidbar ist und seine Bewohner sich als ein Teil Europas fühlen."
Nächste Woche beginnen die Winterspiele
Dem Thema Sotschi widmet die Tageszeitung TAZ breiten Raum in ihrer Wochenendausgabe. Die Zeitung wundert sich:
"Nächste Woche beginnen die Olympischen Winterspiele. Überall wird über die Menschenrechtsverletzungen der russischen Regierung gesprochen, nur die meisten Sportler schweigen beharrlich. Können sie nicht? Wollen sie nicht?"fragen Constantin Wissmann, Andreas Rüttenauer und Thomas Becker.
Die Antwort darauf suchen sie bei verschiedenen heute aktiven Olympioniken. Am Beispiel von Eberhard Gienger erzählen sie die Wirkung, wenn Sport und Politik miteinander vermischt werden. Gienger, damals 29 Jahre alt und bereits Weltmeister im Kunstturnen, folgte dem Aufruf zum Boykott der Sommerspiele im Mai 1980 in Moskau. 34 Jahre später erinnert er sich an die Diskussionen damals, "die er oft wie ein Tribunal empfand." Heute ist er sportpolitischer Sprecher der Unionsfraktion und reist mit Innenminister de Maizière nach Sotschi.
"Und wieder geht es nicht nur um Sport, sondern auch um Politik und Proteste, es geht um Menschenrechtsverletzungen, die man der Regierung Putins vorwirft, um die Diskriminierung von Homosexuellen. Die Sportler aber werden nach Russland fahren, einen Boykott hat keiner angekündigt", heißt es in der Zeitung. "Allein aus Deutschland treten 152 Athleten und Athletinnen auf Skiern, Boards oder Schlittschuhen in Sotschi an."
Ihre Recherche unter Sportlern ergänzt die TAZ durch einen Katalog der Möglichkeiten, mit denen man auf die Olympischen Spiele Einfluss nehmen könnte. Sie sind weder ganz ernst zu nehmen, noch versprechen sie durchschlagende Erfolge, zum Beispiel "Wodka boykottieren, an NGO’s in Russland spenden, Protestbriefe schreiben oder die Spiele einfach ignorieren: nicht hinfahren, bzw. den Fernseher abschalten oder weggucken, wenn Olympia kommt."
Neuentdeckung Gasdanow
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG widmet eine ganze Seite einem bisher Unbekannten: Gaito Gasdanow. "Zehn Jahre lang verbrachte der Exilautor – er lebte von 1903 bis 1971 – in München. Erst jetzt wird sein Werk bei uns entdeckt." Seinen Lebensunterhalt verdiente Gasdanow als Redakteur bei Radio Liberty. Neben den biografischen Notizen meldet die Zeitung eine weitere Neuigkeit:
"Gasdanows betörend schöner Debütroman 'Ein Abend bei Claire' war ein verlorenes Stück Weltliteratur. Jetzt erscheint es im Carl Hanser Verlag erstmals auf Deutsch."