"Reicher, höhnischer Hooligan"
US-amerikanische Künstler und Intellektuelle sind bestürzt und sprachlos - die "Süddeutsche" hat sie dennoch den Wahlausgang kommentieren lassen. Die "FAZ" erinnert daran, dass in den USA nicht nur Intellektuelle leben.
"Tut mir leid, ich weiß nicht, was ich schreiben soll", entschuldigt sich der Schriftsteller Nicholson Baker bei den Lesern der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Ein reicher, grinsender, höhnischer Hooligan hat sich zum Sieg geblufft […]". Die SZ hat elf US-amerikanische Künstler und Intellektuelle, von Judith Butler bis Aleksandar Hemon, gebeten, sich zum Wahlsieg von Donald Trump zu äußern. Was die meisten eint, ist das Gefühl des Schocks und der Ratlosigkeit. "Ich habe Richard Nixon und George W. Bush überstanden, aber das?", schreibt der Autor T. C. Boyle. "Unser System ist kaputt, und wir sind als Volk fast so zerrissen wie während des Bürgerkriegs. Wer wird das reparieren? Ich nicht. Ich bin nicht kompromissbereit genug. Was soll ich also sagen? Ich sage gute Nacht. Ich sage, lasst uns morgen als tolerante Menschen aufwachen. Ha! Viel Glück damit!"
"Wir sollten uns schämen"
Dass die US-Bevölkerung aber nun mal nicht nur aus Intellektuellen besteht, daran erinnert Jürgen Kaube in seinem Artikel für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. "Man denkt bei Amerika an New York und an das Silicon Valley, mehr an Princeton als an Trenton, lässt sich die Ungleichheit in Amerika gern von Thomas Piketty erklären, drückt David Graeber und Occupy die Daumen; aber kommt man nicht auf die Idee, dass die meisten Wähler keine Studenten sind und, anders als Studenten, von der Globalisierung gar nicht profitieren? Man findet, dass alle Leute die Gesellschaft eigentlich super finden sollten, weil es einem selbst gut geht. Wenn die Leute wütend sind, hält man ihnen Vorträge über Vielfalt oder verweist sie an eine Linke, die es nicht gibt. Und glaubt, dass schon nichts passieren wird. Wie gebildet ist das eigentlich?" – "Als Elite glaubten wir, Amerika müsse denken wie wir: pluralistisch, liberal, optimistisch. Wir sollten uns schämen", schreibt in der WELT selbstkritisch und auch ein bisschen besserwisserisch der in Stanford lehrende Romanist Hans Ulrich Gumbrecht und warnt gleich noch vor einem möglichen weiteren Fehler bezüglich Trump: "Anzunehmen, dass er sich nicht an seine Versprechen und Drohungen halten wird, hieße wohl, in dieser fatalen Selbsttäuschung zu verharren."
In den Feuilletons trumpt es
Auch die studierte Historikerin Ursula Scheer warnt davor, den Sieg Donald Trumps schön- oder kleinzureden. In der FAZ erinnert sie daran, als was König Ludwig XVI. den Sturm auf die Bastille 1789 in seinem Tagebuch bezeichnete: als "rien", als 'nichts'. "Da hatte einer den Schuss nicht gehört, und wie die Sache ausging, wissen wir", fährt Scheer fort. "Es hat etwas zu bedeuten, wenn Ägyptens Präsident al Sisi, Putin, Orbán und Chinas Präsident Xi Jinping es kaum abwarten können, Trump zu gratulieren, wenn Marine Le Pen auf Twitter frohlockt, Geert Wilders jubelt und Nigel Farage feiert. Es geht hier nicht um nichts. 2016 hat gezeigt: Es geht allmählich um alles."
Alles trumpt in den Feuilletons vom Donnerstag. Fast alles. Und wer in der SZ den Trump-losen Artikel darüber entdeckt, dass Can Dündar, der im Exil lebende ehemalige Chefredakteur der "Cumhuriyet", am Freitag die Sendung "Aspekte" mitmoderiert, der muss sofort an die Lage in der Türkei denken, an die Missachtung der Presse- und Meinungsfreiheit, und bekommt auch ohne Trump richtig schlechte Laune.
Gibt es denn gar nichts Aufbauendes? "Die gute Nachricht: Osteuropäer sind heute durchschnittlich schon fast genauso glücklich wie Westeuropäer", schreibt Christian Schröder im TAGESSPIEGEL über eine neue Glücksstudie, endet da aber leider nicht, sondern holt noch mal tief Luft: "Die schlechte Nachricht: Das liegt vor allem daran, dass sich die Westeuropäer heute unglücklicher fühlen als noch vor ein paar Jahren."