Aus den Feuilletons

Salman Rushdie giftet gegen Religion

Der britische Autor Salman Rushdie
Der mit einer Fatwa belegte britische Autor Salman Rushdie © picture alliance / dpa / Foto: Helmut Fohringer
Von Arno Orzessek |
Nach dem Anschlag auf die Zeitschrift Charlie Hebdo warnt Salman Rushdie vor dem Verlust unserer Freiheit. Der Autor sagte in der "Welt": "Die Religion, eine mittelalterliche Form der Unvernunft, wird, wenn man sie mit modernen Waffen kombiniert, zu einer wirklichen Gefahr."
Mögen Sie Satire, liebe Hörer? Finden Sie, Satire darf alles – ohne Rücksicht auf Pietät und so?
Na prima!...
Dann wird es Sie amüsieren, was Martin Sonneborn, ehemals Chef des Satire-Magazins Titanic, nach dem Pariser Mordanschlag auf Charlie Hebdo mit zwölf Toten via Facebook verlautbarte:
"´Bei Titanic könnte so etwas nicht passieren. Wir haben nur sechs Redakteure.`"
Es ist der Berliner TAGESSPIEGEL, der Sonneborns Scherz erwähnt – und auch mitteilt, was die Titanic-Redaktion in einem "Liveticker in eigener Sache" verbreitet hat:
"´TERRORHINWEIS: Für 16 Uhr ist in der Redaktion eine Pressekonferenz angesetzt, bei der RTL, Hessischer Rundfunk, Frankfurter Rundschau und weitere (…) Medien anwesend sind. Für Terroristen bietet sich die Möglichkeit, nicht nur eine Satireredaktion auszulöschen, sondern die gesamte Lügenpresse. Es gibt Schnittchen (hinterher)!`"
So weit die Titanic, zitiert vom TAGESSPIEGEL.
Gedenken an Charlie Hebdo
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG gibt dagegen originale Charlie-Hebdo-Schenkelklopfer aus der Vergangenheit zum besten.
1999 etwa zeigte das Magazin Jesus am Kreuz und schrieb in der Legende:
"´Jesus-Christus ins Guiness-Buch der Rekorde aufgenommen – 2000 Jahre, ohne sich die Eier zu kratzen!`"
NZZ-Autor Marc Zitzmann räumt ein, solcher Humor sei "gewollt geschmacklos, bar jeglichen Taktgefühls, pennälerhaft pornografisch, kurz: masslos unanständig"...
Und unterstreicht das mit diesem Beispiel.
"Selbst einer Lichtgestalt wie dem Dalai Lama riet der Zeichner Riss, sich doch endlich zur Selbstverbrennung aufzuraffen – und liess diesen erwidern: ´Ich warte, dass der Benzinpreis sinkt.`"
Ob Sie nun lachen oder betreten schweigen, liebe Hörer – wir kommen so oder so zur ernsten Befassung mit dem Mordanschlag, die in den Feuilletons natürlich dominiert.
In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG hält Andreas Platthaus fest:
"Man kann sich nur vorstellen, wie unerträglich es für religiös Verblendete sein muss, wenn das für sie Allerheiligste Gegenstand des Spotts wird, wenn das zeichnende Gegenüber es einfach nicht ernst nehmen will und auslacht. Nicht mehr vorstellen aber kann man sich, wie sehr solche religiös Verblendeten sich dann selbst belügen müssen, um das, was jede Religion zum Allerheiligsten auf Erden erhebt, das Leben, auszulöschen – nur, um das Lachen zu beenden."
Religionsritik von Salman Rushdie
Gewohnt giftige Religionskritik übt der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie in der Tageszeitung DIE WELT.
"Die Religion, eine mittelalterliche Form der Unvernunft, wird, wenn man sie mit modernen Waffen kombiniert, zu einer wirklichen Gefahr für unsere Freiheiten. Dieser religiöse Totalitarismus hat eine tödliche Mutation im Herzen des Islam bewirkt. […] Ich bin an der Seite von Charlie Hebdo, so wie wir es alle sein sollten, um die Kunst der Satire zu verteidigen, die immer eine große Kraft für die Freiheit war und gegen Tyrannei, Unehrlichkeit und Dummheit gerichtet. ´Respekt für Religion` ist eine hohle Phrase geworden, die eher meinen soll: ´Angst vor Religion`."
So Salman Rushdie in der WELT
In der Ayaan Hirsi Ali, die niederländisch-amerikanische Politikwissenschaftlerin, das "Ende des Appeasements" fordert: Die gängige Beschwichtigung, der Islam selbst sei "eine Religion des Friedens", müsse aufhören.
Hirsi Ali erinnert an Das Koran-Konzept des Krieges – ein Werk des pakistanischen Generals Malik aus den 1970er-Jahren, das islamistische Gruppen bis heute inspirieren soll.
"Der Schlüssel zum Sieg, so habe es Allah durch die militärischen Aktionen des Propheten Mohammed gelehrt, sei es, die Seele des Feindes zu treffen [paraphrasiert Hirsi Ali]. Und der beste Weg ist der Terror. Terror, so schreibt Malik, ist ´der Punkt, an dem sich die Mittel und das Ziel treffen`. Terror, ergänzt er, ´ist nicht das Mittel, um dem Feind eine Entscheidung aufzuzwingen. Es ist die Entscheidung selbst.`" –
Wir enden mit einer TAGESSPIEGEL-Überschrift, die sich auf die überlebenden Redakteure von Charlie Hebdo bezieht – aber genauso auf islamistische Mordgesellen zutrifft.
Die Überschrift lautet: "Sie machen weiter".
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