Aus den Feuilletons

Schwerer Vorwurf gegen Gurlitt-Taskforce

Ingeborg Berggreen-Merkel 27.11.13
Ingeborg Berggreen-Merkel © picture alliance / dpa / Peter Kneffel
Von Tobias Wenzel |
Einen unbegreiflichen Fehler kreidet die "Süddeutsche" der Taskforce von Ingeborg Berggreen-Merkel an, die den Nachlass des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt untersuchen soll. Ein riesiges Konvolut von Akten wurde nicht gesichtet − angeblich gab es "Probleme mit der IT".
"Wer wird der neue Chef der Berliner Philharmoniker? Sie gelten als Favorit. Wie lautet Ihr Tipp?", fragt Reinhard J. Brembeck in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG den Dirigenten Christian Thielemann. Und der antwortet: "Mein Tipp lautet: Mund zu."
Das hätte Jan Feddersen von der TAZ wohl auch gerne Karl Moik zugerufen. Muss er nun nicht mehr: Karl Moik, der Erfinder und Moderator des Musikantenstadls, ist im Alter von 76 in Salzburg gestorben. Über diesen Toten nur Gutes zu sagen, gelingt Feddersen jedenfalls nicht: "Moik war der Held der Uncoolen. Er motzte gegen Italiener, hieß sie ‚Spaghettifresser' – und seine Leute liebten ihn für die Derbheit. Lustig war das alles nicht." Eine "Art Entertainment-Pegida" habe er bedient. Frédéric Schwilden setzt in seinem Nachruf für die WELT auf Ironie: "Nur der Entdecker des Ecstasy, Alexander Shulgin, hat vermutlich weltweit mehr Menschen glücklich gemacht, als der Erfinder vom ‚Musikantenstadl', Karl Moik."
Gurlitt-Konvolut umfasst 25.000 Seiten
Vielleicht nicht gerade Musikantenstadl-Stimmung, aber doch ein wenig Freude hätte aufkommen können. Angesichts der Tatsache, dass die eingesetzte Taskforce zwei als Raubkunst identifizierte Gemälde aus der Sammlung Gurlitt nun sehr bald den Nachfahren der jüdischen Vorbesitzer übergeben wird. Aber Jörg Häntzschel und Catrin Lorch führen im Feuilleton-Aufmacher der SZ aus, inwiefern die Taskforce unter der Leitung von Ingeborg Berggreen-Merkel einen unbegreiflichen Fehler begangen habe. Die Taskforce habe ein 25.000 Seiten umfassendes Konvolut von Cornelius Gurlitt, bestehend aus Verträgen, Fotos, Briefen und Geschäftsunterlagen von Gurlitt und dessen Vater, weder gesichtet noch ausgewertet.
Dieses Material durften die SZ-Mitarbeiter nun einsehen. Ihre Einschätzung: "Hätte man die Salzburger Unterlagen erschlossen, hätte man womöglich die Herkunft Hunderter Kunstwerke und das weitere Verfahren zweifelsfrei klären können." Cornelius Gurlitts Betreuer Christoph Edel habe, so die SZ, die Leiterin der Taskforce mehrfach auf die Dokumente hingewiesen, laut seinen Angaben mündlich und per E-Mail. Berggreen-Merkel habe sich gegenüber der SZ nun dazu nicht äußern wollen. Ihr Sprecher allerdings wird mit den Worten zitiert, sie habe erst durch die Medien "von dieser Menge und Qualität der Unterlagen" erfahren. Und zur besagten E-Mail: Die sei Frau Berggreen-Merkel "seinerzeit nicht zur Kenntnis gekommen", weil es "Probleme mit der IT" gegeben habe. Ein anderer Sprecher, der von Kulturstaatsministerin Monika Grütters, habe nun sogar Edel beschuldigt, alle oder zumindest die meisten Unterlagen der Taskforce vorenthalten zu haben. Fazit der SZ-Autoren Häntzschel und Lorch: "Es scheint, als würde man von den Versäumnissen der Taskforce ablenken wollen." Wie lange wird wohl die Restituierung der Werke aus der Sammlung Gurlitt noch dauern?
Rowohlts legendäre Exzesse
9.000 Jahre müsse er alt werden, wenn er all seine Übersetzungsaufträge noch erfüllen wolle, habe einmal Harry Rowohlt gesagt. Das erwähnt Kristina Maidt-Zinke in der SZ zum 70. Geburtstag des Übersetzers, Schauspielers und Halbbruders des Verlegers Heinrich Maria Ledig-Rowohlt. Andreas Platthaus erinnert in der FAZ an Harry Rowohlts legendäre "Lese- und Trinkexzesse [...], als der Rezitator während des Vortragabends eine ganze Flasche Whisky zu leeren pflegte". Das mit dem Alkohol habe Rowohlt zwar aus gesundheitlichen Gründen ruhen lassen. Geblieben seien allerdings sein "Witz, Geist, Genie" und seine "Sprachmächtigkeit". So habe Rowohlt einmal den Dichter Hans Sahl für eine 20 Jahre alte Beleidigung um Entschuldigung gebeten. Und Sahl habe ihm geantwortet: "Sie haben mir so einen überaus netten Brief geschrieben, dass ich Sie gern kennenlernen und noch einmal von Ihnen beleidigt werden möchte."
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