Sigmar Gabriel lobt den Diktator
Sigmar Gabriel lasse kein Fettnäpfchen aus, kommentiert die "taz": In Kairo fand der Wirtschaftsminister und SPD-Chef nun sehr ungewöhnliche Worte für Ägyptens umstrittenen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi.
Wir lassen uns doch nicht von Jan Böhmermann vorschreiben, was wichtig ist. Es gebe, hatte der gepostet, "möglicherweise bedeutsamere Themen" als ihn. Dagegen spricht die Wirklichkeit im Feuilleton. "Wer sich zu Böhmermann noch nicht geäußert hat, tut es jetzt", meldet die FAZ und meint zuallererst sich selbst. Und Dieter Hallervorden.
Denn auch Böhmermanns Aufruf, "oberste Priorität" habe es jetzt, einen weiteren Song von diesem "unbedingt zu verhindern", wurde nicht erhört. "Wer hat noch nicht, wer will noch mal?", fragt Ursula Scheer in der FAZ und antwortet:
"Dieter Hallervorden hat schon, will aber wieder und legt mit einem zweiten Song in Sachen Böhmermann nach: 'Aus Plaste und Elaste ist ihr Rückgrat gemacht', singt er in 'Merkel – zu allem bereit' und meint die Entscheidung der Bundeskanzlerin, das von Erdogan beantragte Verfahren zuzulassen. Zwei Drittel der Deutschen und gefühlte hundert Prozent der Auslandspresse empfinden Merkels Votum als skandalösen Kniefall vor dem Despoten am Bosporus – woran freilich die Kanzlerin die Hauptschuld trägt, weil sie sich mit ihrer Flüchtlingspolitik zu Erdogans Geisel gemacht hat. So landeten Böhmermann und Idomeni und Erdogans Feldzug gegen die freie Presse in der Türkei aufeinander in Erregungszuständen kurzschließenden Synapsen."
Warum ging sie nicht über Erdogans goldene Brücke?
Christian Geyer fragt in derselben FAZ: "Warum mied Merkel die goldene Brücke?" und meint damit:
"Wenn (Heiko) Maas recht hat, hätte Erdogan der Kanzlerin mit seiner zweiten, persönlichen Anzeige nachgerade eine goldene Brücke gebaut. Über diese Brücke gehend, hätte Merkel unter Wahrung aller beteiligten Gesichter von einer regierungsamtlichen Ermächtigung absehen können. Warum ging die Kanzlerin nicht über Erdogans goldene Brücke? Sie hielt es nicht für nötig, dies der Öffentlichkeit zu erklären. So blicken wir seit Freitag in eine Erklärungslücke, in der sich das Ressentiment gegen 'das System' neu zu sammeln beginnt."
"Kotau" ist ein Beitrag in der TAZ überschreiben. Da geht es aber nicht um Merkel und Erdogan, sondern um Sigmar Gabriel und Ägyptens Diktator al-Sisi. Daniel Bax schreibt:
"Sigmar Gabriel ist ein bemerkenswerter Politiker. Der SPD-Chef lässt sich kaum eine Gelegenheit entgehen, um so richtig ins Fettnäpfchen zu treten. Das hat er am Sonntag mal wieder bewiesen, als er seinen Gastgeber, den ägyptischen Putschgeneral Abdel Fattah al-Sisi, bei einer Pressekonferenz in dessen Präsidialpalast in Kairo einen 'beeindruckenden Präsidenten' nannte … Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass er mit seiner Doppelrolle als Wirtschaftsminister und SPD-Chef überfordert ist, dann hat er ihn in Kairo geliefert."
US-Skandal um Kreuzworträtsel
Adrian Lobe berichtet in der BERLINER ZEITUNG noch von einem ganz anders gearteten Skandal, der die US-Presse gerade erschüttert. "Ein Wort mit acht Buchstaben: kopieren" ist der Beitrag überschreiben, in dem es heißt:
"Laut einer Untersuchung der Seite Five Thirty Eight, eine Art VroniPlag für Rätsel, soll … der verantwortliche Redakteur für Kreuzworträtsel bei der Zeitung USA Today über 60 Kreuzworträtsel aus der New York Times kopiert haben."
Nicht gleich schmunzeln, meine Damen und Herren. "Kreuzworträtsel", lernen wir, "werden nach Todesanzeigen am meisten gelesen", und:
"Amerikanische Kreuzworträtsel kennen eine 180-Grad-Rotationssymmetrie, das heißt, wenn man das Rätsel auf den Kopf stellt, sind Die Muster der schwarzen Kästchen … gleich."
Algorithmus für geistiges Eigentum
Das muss man vielleicht nicht verstehen. Viel schlimmer ist eh, dass inzwischen auch Algorithmen Kreuzworträtsel erstellen und damit die Frage auf uns zurollt:
"Was passiert, wenn sich die Software an bereits publizierten Kreuzworträtseln wie an einem Steinbruch bedient? Ist das dann ein Plagiat? Und wenn ja – wer wird dafür zur Rechenschaft gezogen? Es gibt Stimmen in den USA, die dafür plädieren, dass man auch Algorithmen geistiges Eigentum zusprechen sollte."
Wenn Dieter Hallervorden seine Karriere als Singer-Songwriter wieder einstellt und nicht nur Jan Böhmermann sondern auch die FAZ wieder findet, dass es Wichtigeres gibt als Jan Böhmermann, dann werden wir uns dieser Frage wohl zu stellen haben.
Es sei denn, es gibt bis dahin einen Algorithmus, der definiert, was geistiges Eigentum ist. Dann müssten wir in dieser Frage immerhin die Gerichte nicht bemühen und könnten sie im Feuilleton behalten.