So monströs wie die NSA
Die "taz" besucht den 007-Parkplatz der neu eröffneten Berliner Geheimdienstzentrale, die die "FAZ" als architektonischen Tiefstand bezeichnet. Die "Süddeutsche" mags bunter: Sie kümmert sich um Angler-Magazine und TV-Serien als Pornoparodien.
Die Medien heißen ja Medien, weil sie uns die Welt vermitteln. Das geht auf sehr unterschiedliche Art. Gleich zwei wenig beleuchtete Bereiche des Medienwesens bringt uns die SÜDDEUTSCHE nahe: die Fischer-Zeitschrift und die Serienpornoparodie. Beide boomen.
"Biss es wehtut“, kalauert die SÜDDEUTSCHE, "Das neue Magazin 'Am Haken´ versucht, Angeln als Lifestyle zu inszenieren“. Wer den Titel "Am Haken" drollig findet, sei an die Marktführer erinnert. Das tut auch die SÜDDEUTSCHE:
"Jahrzehntelang war das Monatsheft 'Blinker' das Vademekum des Anglers … , inzwischen liegt 'Fisch & Fang' vorn.“
Wie aber kann man als einer von circa 75 Millionen deutschen Nichtanglern verstehen, worum es da geht? Die SÜDDEUTSCHE hilft auch hier:
"Man kann sagen“, erklärt uns Rudolf Neumaier, “'Am Haken' verhält sich zum 'Blinker' genauso wie '11 Freunde' zum 'Kicker' und 'Neon' zum 'Focus'.“ Na dann.
Apropos Fischen. Edo Reents erzählt in der FAZ, dass Walter Kempowski "sein Leben lang … Plankton gefischt“ habe. So nannte er es, wenn er "wildfremde Leute ausgefragte“. Aber ist gefischtes Plankton Literatur? Dazu Reents:
"Von `Literatur´ sollte man nur in dem Sinne sprechen, dass damit (auch) die Gesamtheit von Schrifttum gemeint sein kann. … In diesem Bewusstsein sollte man auch die vielen Banalitäten zur Kenntnis nehmen, auch mit Wehmut das Inventar eines versunkenen Alltagslebens in Form von Fernsehserien ('Daktari', 'Pan Tau', 'Der Seewolf') wie vergilbte Tagebuchseiten mustern“.
Keine Klagen gegen Porno-Cosby-Show
Womit wir bei den Fernsehserien wären und zurück bei der SÜDDEUTSCHEN. Bernd Graff berichtet nämlich:
"Im Netz werden alte Serien neu gedreht – als Pornos“, ja: "Das Subgenre der Pornoparodie ist – jedenfalls auf dem US-Markt – inzwischen so erfolgreich, dass fast jede bekannte Fernsehserie als Pornoversion nachgespielt wird“.
"Daktari" und "Pan Tau" gehören zwar nicht zu Graffs Beispielen, dafür aber, noch weniger vorstellbar: "Drei Jungen und drei Mädchen" – für Spätergeborene reicht Graff die Erläuterung nach, worum es sich da handelt, nämlich um eine "im Original prüde Heileweltserie um eine Familie mit sechs Kindern, die von Nervenschwachen für Nervenschwache konzipiert wurde“. Die Parodie ist bei Marktführer Hustler Video ein Renner. Und Amerika wehrt sich nicht. Da kommt also einiges auf uns zu. Graff berichtet:
"Die zweite Staffel der Porno-Cosby-Show erschien … mit dem Vorspann: `Wir wurden beim ersten Mal nicht verklagt … hier ist also die Fortsetzung.´“
Wie sehr auch Architektur Medium ist, belegt auf bedrückende Weise der Neubau des BND in Berlin. "Fassaden wie die Miene eines Geheimagenten“, titelt die FAZ, und Dieter Bartetzko erinnert daran, wie zur Zeit von "Drei Jungen und Drei Mädchen" gebaut wurde:
"Ihren Tiefststand erreichte die Architektur der Moderne, als sie in den siebziger Jahren fensterlose Riesenbetonwürfel in die Städte wuchtete. … Nach vierzig Jahren … kehrt nun der kaschierte Bunker zurück – mitten in Berlins Mitte … und monströser denn je.“
Geheimdienstzentrale: Parkplatz 007
Astrid Geisler hat für die taz den Mitarbeiterparkplatz mit der Nummer 007 besichtigen dürfen und weiß zu berichten:
"Kanzleramtschef Peter Altmaier schwärmt, wie toll es doch sei, dass demnächst in den umliegenden Cafés die Geheimdienstleute mit den gemeinen Bürgern zusammensitzen und `ganz selbstverständlich übers Wetter reden´ könnten.“
Aber nur, bis sie von schneidendem Lärm unterbrochen werden, der sie im Schock glauben macht, sie seien in einer amerikanischen Krimiserie in ihrer Prae-Porno-Version gelandet. Über die Polizeisirene als gesellschaftlich relevantes Medium ist bislang noch weniger nachgedacht worden als über Angler-Magazine. "Was sagt uns das?“, fragt die taz jetzt, "Die Polizei in Deutschland will den US-Sirenenton nutzen.“ Nachfrage: "Ob das am muffigen Image was ändert?“ Antwort: " Die Erfahrung lehrt: Na ja“.
Aber die Strategie ist klar: Die Geheimdienstzentrale sieht so monströs aus, wie es die NSA tatsächlich ist, und die Polizei begleitet das mit einem kongenialen Geräuschteppich. Da fällt die Antwort auf die Frage gar nicht mehr so schwer, die die taz stellt, nämlich "was demnächst 4.000 Geheimdienstler hinter 14.000 Fenstern in rund 3.300 Büroräumen auf einer Fläche viermal so groß wie jene des Bundeskanzleramts eigentlich machen“. – Wenn sie vom Angeln heimgekehrt sind, lesen sie ungestört im Blinker oder sie werten US-amerikanische Fernsehserien aus - naturgemäß immer in der aktuellsten Version.