Aus den Feuilletons

Taschenkontrolle beim Champagner-Schlürfen

Damit müssen wir in Zukunft verstärkt rechnen, meint Christian Geyer in der FAZ: Kontrolle auf der Autobahn.
Damit müssen wir in Zukunft verstärkt rechnen, meint Christian Geyer in der FAZ: Kontrolle auf der Autobahn. © dpa / picture alliance / Stefan Puchner
Von Arno Orzessek |
Christian Geyer meint in der "FAZ", dass wir nach den Anschlägen von Paris im Zuge der Terrorbekämpfung mit Einschränkungen leben lernen müssen: Kontrollen auf Bahnhöfen und Autobahnen, Einlass-Check vorm Einkaufszentrum. Die SZ hingegen unterstellt, der IS sei viel schwächer, als wir glauben.
Die Flüchtlingskrise macht's möglich! Endlich kommt in unserer Kulturpresseschau auch mal der Brandenburgische Landesanglerverband zu Wort. Und zwar in Person von Hauptgeschäftsführer Andreas Kopetzki, den die TAGESZEITUNG interviewt hat – aus gegebenem Anlass, was sonst.
Kopetzki wurde nämlich von diversen Angelvereinsvorsitzenden zugetragen, dass immer häufiger angelnde Asylsuchende angetroffen werden, "die ohne die nötigen Kenntnisse und Formulare angeln".
Und dazu hat Kopetzki eine klare Meinung:
"Das geht natürlich nicht. Wer die Fischereiabgabe nicht zahlt und keinen Gewässerschein hat, macht sich strafbar. Das wollen wir [aber] verhindern, indem wir den Behörden unter die Arme greifen, die sowieso gerade mit anderen Dingen beschäftigt sind. Ans Angeln hat da keiner gedacht. Und wir als Verband haben die nötigen Strukturen, um angelbereite Asylsuchende schnell und unbürokratisch aufzunehmen."
Bitte schön: So sieht brandenburgische Willkommenskultur aus! Zumal fisherman's friend Kopetzki auch das Verständigungsproblem locker nimmt.
"Wir haben zwar eine sehr überschaubare Anzahl arabischsprechender Mitglieder, aber Angeln lernt man, in dem man’s macht. Alles, was man beachten muss, kann man mit Händen und Füßen erklären."
Unser Eindruck nach dem TAZ-Interview: Die schaffen das, die Angler Brandenburgs!
"Notstand? Warum eigentlich nicht?
Ob es die Gesellschaft insgesamt schafft, nach den Anschlägen von Paris ihr geschätztes Alltagsleben der Marke High-Life fortzuführen, das beschäftigt Christian Geyer in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Und schon die Überschrift verrät die Tendenz:
"Notstand? Warum eigentlich nicht?"
Der FAZ-Autor will wissen:
"Champagner schlürfend dem Terror trotzen – sieht so die westliche Freiheit aus? Es gibt kein Menschenrecht auf Unbeschwertheit. Um Freiheitseinbußen werden wir kaum herumkommen."
Wie die Einbußen aussehen, erklärt Geyer haarklein:
"Das fängt bei den Warteschlangen an, die unseren Alltag prägen werden, wenn der Rechtsstaat alle Tassen im Schrank hat – und Vorsorge trifft. Das Leben in Zeiten des globalen Terrors wird entschleunigter sein, weil Taschen zu checken sind, bevor man ein Einkaufszentrum oder einen Theatersaal betritt; weil die Autofahrt von Polizeikontrollen unterbrochen wird; weil man auch auf Bahngleisen mit Kontrollen rechnen muss und so weiter."
Christian Geyers Blick in die unbequeme neue Welt endet mit der fragwürdigen Sicherheitsparole:
"Der Staat muss die Freiheit verteidigen, indem er sie seinen Bürgern beschneidet."
Der IS braucht dringend Erfolgsgeschichten
Leser der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG dürften dagegen frischen Mut schöpfen, wenn ihr Auge auf die Titelthese fällt:
"Sie sind schwächer, als wir denken".
Gemeint sind die Terroristen vom Islamischen Staat, die laut SZ-Autor Bernard Haykel, der in Princeton Nahost-Studien lehrt, eigentlich große Angriffe in fernen Ländern vermeidet – weil die Vergeltung stets schmerzt.
"Wie kann man also die Paris-Angriffe erklären, die eine deutliche Abkehr von der bisherigen Taktik, wenn nicht sogar Strategie des IS bedeuten? Mit einem Wort: Niederlage."
Der kundige SZ-Autor erläutert die starken Gebiets-, Personen- und Netzwerk-Verluste des IS in jüngster Zeit und resümiert:
"Der IS wirkt zunehmend wie ein hoffnungsloser Fall. Die Propagandamaschinerie braucht dringend neue 'Erfolgsgeschichten'. Die täglichen Verlautbarungen im Al Bayan Radio zeigen das deutlich. Dem IS fehlt es an Selbstbewusstsein, die Wahrheit zu vermelden. Für einen selbsterklärten Staat von Gottes Gnaden kann es nur Siege geben. Da liegt die Achillesferse des IS, denn mit Verlusten verliert er an Reiz."
Es passt zur Unruhe der Zeitläufte, dass der algerische Schriftsteller Boualem Sansal in der FAZ das Gegenteil behauptet:
"Die Demokratien sind schwach. Deshalb werden die Islamisten obsiegen und große Teile der Welt beherrschen."
Ob so oder so, liebe Hörer! Der innere Zustand, der uns flöten ging in diesen Tagen, er wurde in der BERLINER ZEITUNG zur Überschrift. Sie lautet:
"Albern und ohne Sorgen sein."
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