Aus den Feuilletons

Theater bis zum Umfallen

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Der Regisseur Herbert Fritsch steht bei der Auszeichnung mit dem Berliner Theaterpreis 2017 umgeben von Schauspielern auf einer Bühne.
Lustige und farbenfrohe Inszenierungen sind typisch für Herbert Fritsch: Hier steht er bei der Auszeichnung mit dem Berliner Theaterpreis 2017. © imago images / Piero Chiussi
Von Gregor Sander |
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Der Regisseur Herbert Fritsch wird 70 Jahre alt. Dass er nicht ans Aufhören denkt und weiterhin inszenieren wird, verspricht er im "Tagesspiegel": "Wenn ich in Rente ginge, wäre ich nächste Woche tot."
"Heute wird Herbert Fritsch, eine Zentrifugalkraft unter den Regisseuren, siebzig Jahre alt.", schreibt Hubert Spiegel in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.
Wer in Physik nicht so richtig aufgepasst hat, dem erklärt die Webseite frustfrei-lernen.de diesen Begriff so: "Die Zentrifugalkraft ist eine Trägheitskraft, die ein Beobachter wahrnimmt, der sich in einem rotierenden Bezugssystem befindet."
Trägheit ist nun wiederum etwas, was wir, die wir in Physik nie aufgepasst haben, mit Herbert Fritsch überhaupt nicht in Verbindung bringen können, und so wundern wir uns auch gar nicht über die ersten Zeilen des Geburtstagsständchens in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG:
"Was für ein Kick, wenn man in das Energiefeld von Herbert Fritsch gerät!" schreibt Christine Dössel und: "Der Effekt funktioniert auch übers Telefon." Weil der Regisseur natürlich auch coronabedingt zu Hause sitzt.

Theatralisch auch beim Videointerview

Aber einer wie Fritsch kann aus allem Theater machen: "Herr Fritsch, was sind das für bunte Streifen um Sie herum?", fragt Rüdiger Schaper vom Berliner TAGESSPIEGEL im Videointerview. Und Fritsch, der mit Stücken wie "Murmel Murmel" oder "Die spanische Fliege" die Bühne zum Leuchten und das Publikum zum Lachen brachte, antwortet:
"Das ist ein Hintergrund, den ich mir gebastelt habe. Der soll alles Private verdecken, also wie es hier wirklich in der Wohnung aussieht. Es ist die Illusion eines geordneten Raums, wo die Welt noch in Ordnung ist."
Vermutlich ordnet Fritsch selbst seinen Frühstückstisch als Bühne an. Obwohl wir ihn alle noch für Wochen entbehren müssen, gibt er im TAGESSPIEGEL, Gott sei Dank, Entwarnung: Schluss ist wegen der 70 noch lange nicht, oder wie Fritsch es sagt: "Wenn ich in Rente ginge, wäre ich nächste Woche tot."

Häme für den Wahl-Verlierer

Die tragische Rolle des Friedrich Merz wäre ja inzwischen auch ein Stoff für die Bühne. Der knallharte Retter der CDU, der nun schon zum dritten Mal von der zu rettenden Braut verschmäht wird. Selbst die TAZ macht sich da Sorgen: "Ein Herz für Merz" wird da getitelt, und Heiko Werning schreibt:
"Aber ist das nicht eigentlich sympathisch? Statt stets auf seine Außenwirkung zu achten, lässt Merz einfach alles raus. Wie man einem Kind schließlich auch einen Bonbon zum Trost gibt, wenn es hingefallen ist, verlangte er nach der verlorenen Wahl prompt quasi als Schadensersatz wenigstens das Wirtschaftsministerium."
Und so gibt es einen ganzen Artikel erwartbarer saurer Häme für den gescheiterten Sauerländer: "Ein bisschen gerührt ist man da schon. Fast möchte man ihm beruhigend über das Köpfchen streichen. Es wird schon alles wieder gut. Nimm dir erst mal ein paar Tausender von deinem gehobenen Mittelschichtskonto und kauf dir was Schönes", schreibt Werning.

Bjarne Mädel als Regisseur

Herbert Fritsch hätte aus diesem Stoff sicher mehr gemacht. Und Bjarne Mädel? Der hat sich für seine erste Regiearbeit lieber an einem Krimistoff versucht. Dessen Entstehung eine eigene Geschichte hat:
"Sörensen hat Angst ist ursprünglich ein Hörspiel, dessen Hauptrolle Sven Stricker für Mädel geschrieben und das der Autor 2018 für den NDR inszeniert hat. Anschließend hat Stricker den Stoff mit mehr Figuren und mehr Milieu zu einem Roman ausgearbeitet – eine Zwischenstation auf dem Weg zum Filmprojekt", erklärt Stefan Fischer in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
Bjarne Mädel spielt für die ARD auch die Hauptrolle in diesem friesischen Klamaukkrimi, der bei Markus Ehrenberg im TAGESSPIEGEL gemischte Gefühle auslöst:
"Der Film will viel. Manchmal zu viel. Auch die Kamera (Kristina Leschner), die ständig das Nah-Porträt sucht. Das macht es der grauen Geschichte rund um das Thema Kindesmissbrauch und Familienabgründe nicht immer einfach."
Das unentschiedene Hin und Her zwischen skurriler Kriminalkomödie und hartem Verbrechen gibt auch Jens Müller von der TAZ den Rest:
"Sexuelle Gewalt gegen Kinder ist kein heimeliger Mord (ob mit oder ohne Aussicht), da hört der Spaß auf. Wenn schon nicht der Regiedebütant Bjarne – der erfahrene Schauspieler Mädel hätte das wohl wissen können."
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