Toilettenfirma sorgt für Shitstorm
Das Feuilleton der "Berliner Zeitung" nimmt in einer Glosse den Werbespot eines Betreibers von Autobahn-Toiletten aufs Korn. Selten sei der Begriff Shitstorm im Internet passender gewesen.
"Kommt ein kleines Mädchen in die Toilette einer Autobahnraststätte und ruft voller Inbrunst: 'Oh, ist das schön hier!' Wo sind wir dann?", fragt Harald Jähner in der BERLINER ZEITUNG und gibt gleich die Antwort: "Klar, im Reich der Lügen." Jähner spielt auf den Werbespot einer Toilettenfirma an, über den sich viele Internetnutzer lustig machen. Für die Firma habe es einen "wahren Shitstorm" gegeben.
Selten sei ein Begriff passender gewesen. "Hmmm, wie das duftet", sagt das Mädchen in der Werbung. Jetzt nicht mit Blick auf das verrichtete Geschäft, sondern auf den Seifenspender. Aber trotzdem: Das ist einfach zu viel des Guten. Hat die Werbeagentur einen Schülerpraktikanten das Skript für diese wunderbare Toilettenwelt schreiben lassen? Oder ist das gewollte Selbstparodie, um die Firma ins Gespräch zu bringen? Harald Jähner ist sich nicht sicher: "Man weiß auch beim wiederholten Anschauen nicht genau, ob das Groteske des Films purem Unvermögen oder riskanter Absicht entstammt", schreibt er in der BERLINER ZEITUNG.
Eine Feuilleton-Presseschau mit einem Werbespot über Toilettendienstleistungen zu beginnen, das ist, da haben Sie vollkommen Recht, liebe Hörer, ein Armutszeugnis. Toilettenkultur statt hehrer Kultur, die natürlich gerade Urlaub macht: traurig, traurig.
Eleonore Büning rettet uns dann aber doch noch ein wenig: "Wenn die Opernhäuser schließen, beginnen die Opernfestspiele in den Urlaubsregionen Deutschlands, Österreichs, der Schweiz", schreibt sie in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. "Es ist herrlich in Bregenz am Bodensee." Dort wurden die Festspiele mit Puccinis "Turandot"" eröffnet, in der Inszenierung von Marco Arturo Marelli. Einen "ordentlichen, aber nicht herausragenden Abend" sah Manuel Brug von der WELT. Christian Wildhagen erlebte, wie er in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG schreibt, "einige bewegende Momente".
"Grandioses Seebühnenspektakel" in Bregenz
Eleonore Büning von der FAZ aber ist regelrecht entzückt von dem ihrer Meinung nach "grandiosen Seebühnenspektakel": "Eingangs klimpert eine Kinderspieluhr, zart exotisch, pentatonisch. Dann stürzt punktgenau zum ersten Blechbläserakkord die chinesische Mauer ein. Diese Mauer erhebt sich stolz, rötlich schimmernd aus dem See und versinkt darin, geschwungen wie ein buckliges Ungeheuer, der Teepavillon auf dem höchsten Kurvenpunkt könnte der Kopf des Drachen sein."
Die geheime Hauptrolle dieser Opernaufführung habe also der technische Direktor. Und nicht etwa der winzige Prinz oder seine noch kleinere Eisprinzessin Turandot, so Eleonore Büning weiter in der FAZ, "auch wenn beide einander im zweiten Akt so glühend verkracht anschmachten, dass ihr Schlager 'Drei sind die Rätsel, eines ist der Tod' dank Hunderter erstklassiger Lautsprecher bis nach Lindau schallt".
Lindau, Bregenz - Mircea Cărtărescu dürfte sie hassen. Wie überhaupt alle Städte. Jedenfalls solche, die perfekt wirken. Die BERLINER ZEITUNG druckt einen Text des rumänischen Autors ab, den er im Auftrag des Internationalen Literaturfestivals Berlin zum Thema "Zukunftsstadt" verfasst hat. "Ich erkenne allein innere Städte an, jene unter unserer Schädeldecke, errichtet nach unserem Maß und unserer Gestalt", schreibt Cărtărescu, nachdem er über jene wundersamen Städte berichtet hat, die er in seinen Träumen bereist hat.
Dann gibt es noch ein Lob für den Baumeister von Bukarest, der die Stadt gleich als Ruine entworfen habe. Schöne Städte bekommen vom Autor allerdings den gnadenlosen Todesstoß: "Die schönen Städte, organisch im Laufe von Jahrhunderten oder Jahrtausenden gewachsen, sind genauso schal und langweilig wie die Frauen ohne Akne, Schwangerschaftsstreifen, kariöse Zähne [...]."