Aus den Feuilletons

Trauer um Frank Schirrmacher

FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher starb im Alter von 54 Jahren
FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher starb im Alter von 54 Jahren © dpa / picture-alliance / Fredrik von Erichsen
Von Burkhard Müller-Ullrich |
In der Kulturpresseschau geht es unter anderem um den Tod von "FAZ"-Mitherausgeber Frank Schirrmacher und um einen Auftritt des dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard in Berlin.
Als die erste Agenturmeldung vom Tod Frank Schirrmachers um Viertel nach fünf am Nachmittag eintraf, hatten die Feuilletons längst Redaktionsschluss. Man kann sich die panische Ratlosigkeit ungefähr vorstellen, die sich ab diesem Augenblick in den Zeitungshäusern ausbreitete. Denn selbstverständlich gab es nirgendwo einen vorbereiteten Nachruf auf den 54-Jährigen, der urplötzlich einem Herzinfarkt erlegen war. Und ebenso selbstverständlich war man diesem genialen Zeitungsmann einen gut geschriebenen Nachruf schuldig.
Edo Reents hat es in der FAZ gewagt und geschafft, möglicherweise dank eines kleinen zeitlichen Informationsvorsprungs in Schirrmachers eigenem Hause, und er beginnt mit einem Satz, der einen fast zusammenzucken lässt:
"Frank Schirrmacher, der sprach- und wirkmächtigste Kulturjournalist, den Deutschland je hatte, ist tot."
Die Formulierung „den Deutschland je hatte" verweist also auch Heine und Tucholsky auf die Plätze hinter Schirrmacher, und das tut dem Text nicht gut, der von einer gewissen Phrasenhaftigkeit gekennzeichnet ist. Zum Beispiel:
Wie ich an dieser Stelle mit Herzensüberzeugung behaupte...
... so weit holt der Autor aus, um Schirrmacher gegen den Vorwurf in Schutz zu nehmen, er sei auch wichtigtuerisch und eitel gewesen. Weiter schreibt Edo Reents:
"Es ging Frank Schirrmacher vielmehr um die Rettung des Ich als eines frei denkenden Subjekts, in jeder Kultursparte, und darum, es vor jeder Manipulation durch soziale oder ökonomische Zwänge, kurz: vor jeder Zu- und Abrichtung zu schützen. Wie oft hat er in Konferenzen, in denen die nicht immer gute wirtschaftliche Lage der Zeitungen zur Sprache kam, gesagt: „Was uns keiner nehmen kann, ist unser Geist. Er ist unser Kapital. Also seien Sie selbstbewusst!"
Diese Aufforderung befolgend, breitet der Verfasser des Nachrufs in der FAZ zuguterletzt noch einige persönliche Erinnerungen aus:
"Was mich betrifft, so lernte ich Frank Schirrmacher im März 2001 kennen. Ich hatte bei der Zeitung unterschrieben, und dann kam eine Mail: „Ich putze gerade Ihr Zimmer – mit Ata." Es liegt in der Natur der Sache, dass sich die Öffentlichkeit von dem, ich möchte sagen: wirklich einzigartigen Humor dieses Mannes so gut wie keinen Begriff machen konnte. Dabei war er der geistreichst-witzigste Mensch, der mir je begegnet ist."
Vermutlich werden uns in Nachrufen auf Frank Schirrmacher noch etliche doppelte und dreifache Superlative in den nächsten Tagen begegnen.
Nicht nur die Berliner TAGESZEITUNG, aber sie am ausführlichsten, berichtet über einen Auftritt des dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard in der Berliner Akademie der Künste. Neun Jahre ist es her, daß seine Mohammed-Karikatur zusammen mit elf anderen in der Zeitung Jyllands-Posten veröffentlicht wurde und mit einer Welle von Gewaltausbrüchen in islamischen Ländern beantwortet wurde. Fünf Jahre später griff ein somalischer Terrorist Westergaard in seinem Haus in Dänemark mit Axt und Messer an, scheiterte aber an der Stahltür des zum Sicherheitsraum ausgebauten Badezimmers. Thomas Gerlach beginnt seinen Artikel in der TAZ mit einer nachfrage zu dieser Schreckensszene:
"Zum Schluss kommt Kurt Westergaard auf seine Enkelin zu sprechen. Ja, ihr gehe es gut. Den Mordanschlag am Neujahrstag 2010 habe die damals Fünfjährige gut verkraftet. Sie habe gedacht, ein gewöhnlicher Dieb sei ins Haus des Großvaters in Aarhus eingedrungen."
Die Veranstaltung war nicht groß angekündigt worden; vor allem Journalisten hatten eine Einladung bekommen. Sie erfuhren, wie es ist, ein Leben unter ständiger Polizeibewachung führen zu müssen. Die Gefahrenstufe gilt zwar nicht für Westergaards Frau, aber 2008 wurde ihr als Kindergärtnerin gekündigt, weil die Eltern um die Sicherheit ihrer Sprößlinge fürchteten.
"Die Kündigung wurde schnell rückgängig gemacht. Doch die Belastung trifft die gesamte Familie",
heißt es in der TAZ. Und:
"Habe er denn nach all dem Druck schon einmal über eine Entschuldigung nachgedacht? Mit dieser Frage prüft Akademiepräsident Klaus Staeck Westergaards Standfestigkeit. Doch die ist groß. 'Nein, nein! Ich habe meine Arbeit gemacht. Und wenn die Arbeit gut und legal ist, soll man sich nicht entschuldigen.'"